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Reißt der ­Geduldsfaden? Stefan Schönegger im Gespräch

12. März 2020, 8:20 Uhr | Meinrad Happacher
Stefan Schönegger, Vice President für die Produktstrategie bei B&R
Stefan Schönegger, Vice President für die Produktstrategie bei B&R
© B&R

Mit Single Pair Ethernet – kurz SPE – entsteht gerade ein genormtes Ethernet auf einpaariger Basis. Allerdings favorisieren zwei Firmengruppen – eine unter Federführung von Harting, die andere unter Führung von Phoenix Contact – konkurrierende Steckgesichter für den Standard.

Was halten die Anwender der Technologie von dieser prekären Situation?
Stefan Schönegger, Vice President für die Produktstrategie bei B&R, bezieht Stellung.

Herr Schönegger, wie wichtig ist Ihnen als Automatisierer das Thema Single Pair Ethernet?

Schönegger: Single Pair Ethernet spielt für uns eine wichtige Rolle, denn wir sehen großes Potenzial und Nutzen für unsere Kunden in dieser Technologie. Kabel und Stecker werden signifikant kleiner und leichter – damit sinken Platzbedarf und Kosten. Durch seine große Flexibilität ist Single Pair Ethernet genauso für sehr lange Distanzen in der Prozessindustrie geeignet wie für übliche Anwendungsfälle in der diskreten Fertigung. Die zur Verfügung stehenden Bandbreiten reichen von 10 Mbit bis in den Gigabit-Bereich. Wichtig ist auch, dass Energie standardisiert auf dem gleichen Kabelpaar übertragen werden kann wie die Informationen. Es lässt sich also ganz klar sagen: SPE wird die Verkabelung von Maschinen und Anlagen wesentlich vereinfachen.

Die Normungsarbeiten für diesen Standard sind ja in vollem Gange. Was steht schon und was ist noch zu tun?

Schönegger: Die Standardisierung ist bereits sehr weit fortgeschritten und sollte im Lauf des Jahres vollständig abgeschlossen sein. Was noch fehlt, ist eine Entscheidung des Marktes zwischen den verbleibenden Optionen. Das klingt wie ein Widerspruch, ist es jedoch nicht. Standardisierung bedeutet nicht zwangsläufig, dass man sich auf eine einzige Variante festgelegt hat.

Für SPE gibt es aktuell noch zwei Normungsbestrebungen – einmal die unter der Flagge von Phoenix Contact und zum anderen die unter der Regentschaft von Harting. Unterscheiden sich denn die beiden Varianten wesentlich?

Ich halte die technischen Unterschiede nicht für ausreichend relevant. Daher ist es definitiv nicht zielführend, unterschiedliche Steckgesichter für den gleichen Zweck zu etablieren. Ganz im Gegenteil: Diese Redundanz verunsichert und gefährdet die Marktdurchdringung von SPE in der Gesamtheit. Durch die globale Einigkeit zu OPC UA over TSN wäre der Zeitpunkt so günstig wie nie zuvor, um einen neuen Stecker-Standard einzuführen. 
Allerdings ist das Zeitfenster für eine Entscheidung sehr klein. Aus meiner Sicht sprechen wir von wenigen verbleibenden Monaten, um das Thema unter Dach und Fach zu bringen. Ansonsten sind die Entscheidungen für die nächsten sieben bis zehn Jahre weitestgehend gefallen.

Wenn sich die Stecker-Hersteller nicht einigen können, könnten die Anwender – in diesem Fall die Automatisierer und Feldbus-Organisationen – ihnen diese Entscheidung zu einer tatsächlichen Vereinheitlichung abnehmen. Welche konkrete Position vertritt B&R in dem Umfeld und wie wollen Sie zur Lösung beitragen?

Schönegger: Hauptdarsteller in den letzten beiden Jahren waren die Hersteller von Steckern und Kabeln. Wir waren bisher ausschließlich in der Beobachterrolle. Sehen wir jedoch in den nächsten zwei bis drei Monaten keine Tendenz zu einer zeitnahen Entscheidung, werden wir uns aktiv einbringen. Dann werden wir gemeinsam mit anderen Automatisierungs-herstellern zur Entscheidungsfindung beitragen. Derzeit analysieren wir die Marktbewegungen seit der SPS-Messe und legen danach unsere Aktivitäten fest.

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Die SPE-Kontrahenten

Unter der Ägide von Harting hat sich das „Single Pair Ethernet Industrial Partner Network“ gebildet: Mit den Firmen Harting, TE Connectivity, Hirose, Würth Elektronik, Leoni, Murrelektronik und Softing IT Networks propa­gieren sieben Unternehmen das von Harting zur Normung eingereichte SPE-Steckgesicht.
Phoenix Contact führt ins Feld, zusammen mit Belden, Fluke Networks, Reichle & De-Massari sowie Weidmüller normierte Steckgesichter für IP20- und IP6x-Umgebungen zu entwickeln.


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