Wie lässt sich eine 100 % Prüfung am Ende einer Produktionslinie kostengünstig automatisieren? Ein Hersteller von Ladegeräten für Elektrofahrzeuge setzt dazu auf einen 5-Achs-Gelenkarmroboter, der den Prüfzyklus übernimmt und dabei verschiedene Prüfmittel nutzt.
Die Bocholter Firma Benning ist Anbieter von Ladegeräten für Elektrofahrzeuge wie zum Beispiel Gabelstapler. Bei der aktuellen Generation Traktionslader der Reihe Belatron wird der Hocheffizienz-Ladevorgang elektronisch überwacht. Die Geräte und insbesondere die Ladezyklen können individuell konfiguriert werden, wenn es vom Kunden gewünscht wird. Es gibt die Traktionslader für Spannungen von 24 bis 120 V. Umfassende Konnektivität ermöglicht unter anderem die Integration in Energiemanagementsysteme. Das Prüfsystem am Ende der Produktionslinie wurde mit ‚Bordmitteln‘ konstruiert und realisiert. Ziel bei der Entwicklung des Testsystems war, dass der Bediener nur das Ladegerät anzuschließen hat und alle weiteren Prozesse automatisiert ablaufen.
Um dieses Ziel zu erreichen, wurde ein Low-Cost-Roboter von Igus an der Decke der Prüfzelle montiert, der bei der Prüfung eine zentrale Rolle spielt. Da er viele Aufgaben zu erfüllen hat, ist das Werkzeug am ‚Robolink‘-Roboterarm vielseitig: Neben einer Kamera zur Bilderkennung und einem Laserabstandsensor zur Vermessung des Geräts ist eine elektrisch leitende Prüfnadel für die Gehäusekontaktierung und zum Betätigen der Bedienelemente integriert.
Im ersten Schritt identifiziert der Roboter das individuelle Ladegerät, indem er mit der Kamera den Barcode erfasst. Damit ‚kennt‘ er das Prüfprogramm. Anschließend vermisst er das Gerät mit dem Lasersensor und bewertet mithilfe der Kamera Gerätefarbe und -beschriftung. Dann folgt ein aus Sicherheitsgründen wichtiger und vorgeschriebener Schritt: Um den GND-Sicherheitstest durchzuführen, kontaktiert die Prüf- nadel das Gehäuse und muss dazu – je nach Gehäusegröße – eine andere Prüfposition anfahren. Im Anschluss betätigt der Roboterarm mit der Prüfnadel jeden einzelnen Taster der Folientastatur. So kann das Prüfsystem die einwandfreie Funktion der Bedienelemente sicherstellen.
Flexibel zeigt sich der Low-Cost-Roboter zudem hinsichtlich der Anpassung an veränderte Bedingungen. Da er vom Prüfsystem gesteuert wird, lässt sich die Umstellung beispielsweise auf neue Gerätebauformen oder Prüfkriterien einfach umsetzen. Grundsätzlich kann die Prüfung auch ohne Roboter erfolgen; in diesem Fall übernimmt ein Mitarbeiter dessen Tätigkeiten. Parallel zu den robotergestützten Prüfungen finden die unterschiedlichen elektrischen Prüfungen sowie das Aufspielen der Software statt.
Bei der Recherche nach dem passenden Roboter für die Prüfzelle konnten die Konstrukteure von Benning vorhandenes Know-how nutzen, da in der Fertigung bereits kollaborative Roboter eingesetzt werden. Letztlich fiel die Wahl auf einen Igus 5-Achs-Gelenkarmroboter vom Typ ‚Robolink RL-DP-5‘. Der zum Großteil aus tribologisch (auf Reibung und Verschleiß) optimierten sowie schmiermittelfreien Kunststoffen bestehende Roboter kann Nutzlasten bis 3 kg bewegen und erreicht Taktzeiten von unter 7 s. Sein Arm hat eine Reichweite von 790 mm, die Positioniergenauigkeit beträgt 1 mm.
Bei der Planung und Inbetriebnahme der Prüfzelle beschritten die beteiligten Ingenieure Neuland. Das Werkzeug ist vollständig in die Robotik-Software integriert. Die Bildverarbeitung übernimmt eine Standardkamera, für die ein eigenes Programm auf Open-Source-Basis geschrieben und ins Prüfsystem integriert wurde. Das LED-Licht in der Zelle verändert sich mit jeder Kameraposition. Auch die Dokumentation wird automatisch erstellt. Insgesamt konnte Benning den Großteil der Konstruktion und Projektierung in Eigenregie erledigen, an der Konstruktion des Werkzeugs hat Igus insofern mitgewirkt als verschiedene Varianten entwickelt wurden; für eine davon hat sich Benning nach Erprobung entschieden.
Nach gut einem Jahr Erfahrung mit der selbst entwickelten Prüfzelle und dem Roboter ziehen die Verantwortlichen bei Benning ein rundum positives Fazit: Nach dem Kontaktieren des Prüflings kann der Bediener über den gesamten, mehrere Minuten dauernden Prüfzyklus andere Aufgaben übernehmen. Dies optimiert – Stichwort ROI – die Kosten. Zudem verbessert sich die Qualität der Prüfung, da die Ergebnisse objektiv bewertet werden. Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Es entstehen umfassende Statistiken und Auswertungen, auf deren Basis sich Prozesse weiter verbessern lassen. Dank der individuellen Dokumentation des komplexen Prüfprozesses entsteht quasi von selbst ein ‚digitaler Zwilling‘ von jedem einzelnen Traktionsladegerät.