Stemmer Imaging

Die dritte Dimension des Lichts

20. Mai 2020, 9:02 Uhr | Inka Krischke
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Mit Bildverarbeitung auf Basis von polarisiertem Licht lassen sich unter anderem verborgene ­Produkteigenschaften wie Spannungen in Kunst-stoffen oder Gläsern erkennen. Die Möglichkeiten der Technologie erläutert Jan Sandvoss von Stemmer Imaging.

Herr Sandvoss, beschreiben Sie bitte kurz die Polarisations-Technologie

Sandvoss: Um die Funktionsweise von Polarisationskameras besser zu verstehen, muss man die physikalischen Grundlagen betrachten: Licht lässt sich durch eine sich ausbreitende elektromagnetische Transversalwelle beschreiben, bei der eine elektrische Welle und eine magnetische Welle senkrecht zueinander und zur Ausbreitungsrichtung schwingen. Die Polari-sation wird durch die Schwingungsebene der elektrischen Welle definiert. Üblicherweise ist das Licht nicht polarisiert, das heißt, alle Schwingungs-richtungen der elektrischen Wellen sind gleich wahrscheinlich. Ist nur eine Schwingungsrichtung vorhanden, spricht man von linear polarisiertem Licht. Sind die Phasen der senkrechten und parallelen Komponenten der elektrischen Welle unterschiedlich, ist das Licht elliptisch polarisiert. Zirkular polarisiertes Licht dagegen entsteht, wenn die Phasen beider Komponenten genau um 90° verschoben sind.

Diese Aussagen gelten für das gesamte elektromagnetische Spektrum und somit auch für das Lichtspektrum, zu dem die Bereiche ultraviolettes Licht, sichtbares Licht mit Wellenlängen zwischen 440 und 650 nm, nahes Infrarot-licht und kurzwelliges Infrarotlicht zählen. 

 

Jan Sandvoss: »Mit einem geeigneten Polarisations-system lässt sich die dritte Dimension des Lichts zum Vorschein bringen und für die industrielle Bildverarbeitung nutzbar machen – also Eigenschaften und Defekte erkennbar werden lassen, die mit keine
Jan Sandvoss: »Mit einem geeigneten Polarisations-system lässt sich die dritte Dimension des Lichts zum Vorschein bringen und für die industrielle Bildverarbeitung nutzbar machen – also Eigenschaften und Defekte erkennbar werden lassen, die mit keiner anderen Methode sichtbar sind«.
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Was ist der wesentliche Unterschied zwischen unpolarisiertem und polarisiertem Licht?

Sandvoss: Unpolarisiertes Licht besteht aus vielen Wellen, die zufällig in verschie-denen Richtungen schwingen – etwa das Licht von Glühlampen oder das Sonnen-licht. Diese Form der Beleuchtung hat in der industriellen Bildverarbeitung den Nachteil, dass sich vor allem bei Prüf-objekten mit glänzenden Oberflächen Reflektionen in Teilbereichen praktisch nicht vermeiden lassen. Polarisiertes Licht hingegen bedeutet, dass alle von einer der Lichtquelle ausgehenden Wellen die gleiche Polarisation aufweisen und somit in den Richtungen der elektrischen Felder übereinstimmen. Durch die geschickte Nutzung von polarisiertem Licht lassen sich somit unerwünschte Reflektionen ausfiltern. 

 

 

Bei Verwendung eines Polarisators wird nur  der Teil des Lichts durchgelassen, der parallel zur optischen Achse des Polarisators schwingt.
Bei Verwendung eines Polarisators wird nur der Teil des Lichts durchgelassen, der parallel zur optischen Achse des Polarisators schwingt.
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Welche typischen Anwendungsbeispiele gibt es?

Sandvoss: Generell können verschiedene Merkmale den Polarisationszustand von Licht verändern: Einfluss haben beispiels-weise die Oberflächenbeschaffenheit von Objekten wie deren Rauheit, Kratzer, Dellen oder Beschichtungen, oder auch andere physikalische Eigenschaften wie mechanische Belastungen oder Doppelbrechungen. Vor allem bei der Inspektion von glänzenden, spiegelnden oder reflektierenden Oberflächen wie Folien, Metall oder Glas ermöglichen Polarisationsaufnahmen eine verbesserte Bildverarbeitung – etwa die einfachere Erkennung von Kratzern oder das robuste Lesen von Codes auf mehrschichtigen Folien.

Mit einem geeigneten Polarisationssystem lässt sich beispielsweise sehr einfach untersuchen, ob die Aufreißlaschen von in Folie eingeschweißten Kartendecks fehlerfrei sind. Bei einer Untersuchung mit unpolarisiertem Licht sind derartige Fehler deutlich schwieriger und bisweilen gar nicht zu erkennen. Weitere Beispiele sind klassische Pick&Place-Anwendungen, bei denen glänzende, oft metallische Bauteile unter verschiedenen Beleuchtungs- und Polarisierungswinkeln in unterschiedlichen Bildbereichen immer zu Reflek-tionen führen. Durch die Kombination von reflektionsfreien Ausschnitten der unter unterschiedlichen, teilweise virtuellen Polarisationswinkeln aufgenommenen Bilder zu einem Gesamtbild ist es möglich, gut auswertbare Bereiche zusammenzuführen und somit die Bildverarbeitung und Erkennung der Objekte und ihrer Lage auf diesem synthetischen Bild zu vereinfachen. 

 


  1. Die dritte Dimension des Lichts
  2. Die Unterschiede

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