Auch die aktuellen Belastungen im Verhältnis der EU zu ihrem wichtigsten Handelspartner USA bereiten dem Maschinen- und Anlagenbau Sorgen. „Wir erleben eine intensive Debatte zum amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) und damit zur Frage, ob Europa eine signifikante Verlagerung von Industriewertschöpfung und Arbeitsplätzen in die USA droht“, sagte der VDMA- Präsident. Im Maschinen- und Anlagenbau sei damit nicht zu rechnen, „die Auswirkungen des IRA auf unsere Industrie sind begrenzt“, betonte er. Denn die neuen amerikanischen Steuergutschriften stehen ausschließlich für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien zur Verfügung und wirken sich daher vornehmlich auf die Sektoren aus, die Teil dieser Wertschöpfungsketten sind. Viele andere wichtige Branchen im Maschinen- und Anlagenbau - zum Beispiel Verpackungsmaschinen, Baumaschinen, Landtechnik oder Robotik - sind allenfalls indirekt betroffen und können von den erhöhten amerikanischen Investitionen sogar profitieren.
„In bestimmten Bereichen wie Windenergie oder Wasserstoff jedoch, die auch für die nachhaltige Transformation wichtig sind, könnten Investoren amerikanische Projekte den europäischen vorziehen. Hier muss die EU eine Antwort finden, wenn man im Technologiehochlauf und der damit verbundenen Wertschöpfung mithalten will. Es geht dabei nicht um noch höhere Milliardensummen, sondern um die Einfachheit und Verlässlichkeit der Förderung. Hier können wir von den USA sogar lernen“, erläuterte Haeusgen.
Grundsätzlich bedeute der Inflation Reduction Act in Teilen jedoch einen Bruch mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO. „Er ist damit ein bedauerlicher weiterer Schritt der USA weg vom Freihandel“, bemängelte Haeusgen. „Anstatt reflexartig nach einem ,Buy European‘-Programm zu rufen, wäre es viel sinnvoller, eine Offensive für eine größere Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu starten. Das heißt konkret: das regulatorische Umfeld durchforsten, Innovationshemmnisse beseitigen und in den bereits zahlreich vorhandenen Förderprogrammen die Prozesse vereinfachen“, forderte der VDMA-Präsident.
Nach Ansicht des VDMA werden Rahmenbedingungen und Regulierung in Europa derzeit jedoch so konzipiert, dass sie dem Industriestandort Europa mehr schaden als nutzen. „Die politischen Absichten und Ziele der EU, die grüne und nachhaltige Transformation zu gestalten, wird von uns unterstützt. Doch lassen viele Gesetzesvorschläge die Realitäten im industriellen Mittelstand unberücksichtigt“, beklagte Haeusgen. Als Beispiele nannte er die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung oder das EU-Lieferkettengesetz: Beide Regelwerke werden nicht nur unverhältnismäßige, sondern auch unnötige Belastungen für den international vernetzten europäischen Mittelstand mit sich bringen, seine Wettbewerbsfähigkeit spürbar schwächen und sind damit kontraproduktiv mit Blick auf die verfolgten Ziele.
„Die Politik glaubt zum Beispiel, ein Mittelständler könnte in allen Stufen seiner Lieferkette in fernen Ländern dafür sorgen, dass nicht nur Kinderarbeit verhindert wird, sondern auch europäische Umweltstandards eingehalten werden, Religionsfreiheit gewährleistet ist und Gewerkschaften gebildet werden dürfen. Wer das nicht nachweisen kann, riskiert, künftig verklagt zu werden, wenn das EU-Lieferkettengesetz wie vom EU-Parlament vorgesehen kommt. In Summe scheint es leider so zu sein, dass bei vielen politischen Entscheidungsträgern die Wettbewerbsfähigkeit eines für Europa und auch die grüne und digitale Transformation entscheidenden Sektors völlig nachrangig ist“, bilanzierte der VDMA-Präsident.