Welche Best Practices sollten Ingenieure beachten, um den Workflow als Ganzes im Blick zu behalten, wenn sie KI in Anwendungen und Projekte integrieren? Woher weiß ein Ingenieur beispielsweise, ob Machine Learning oder Deep Learning sinnvoller wäre?
Pingel: Seien Sie einfach ein Ingenieur und denken Sie wie ein Ingenieur: Man muss kein Datenwissenschaftler sein, um Deep Learning und Machine Learning erfolgreich zu nutzen. Ingenieure besitzen bereits die Fertigkeiten für ein erfolgreiches Arbeiten mit KI.
Des Weiteren gilt: Verwenden Sie domänenspezifische Tools, mit denen Sie zügig arbeiten und Ihre Daten interpretieren können. Tools mit Funktionen, die etwa speziell für die Signalverarbeitung, Wireless-Anwendungen, die Verarbeitung von Bilddaten oder auch für Textanwendungen entwickelt wurden. Nutzen Sie Apps, die ihnen die manuelle Programmierung abnehmen. Neben Labeling-Apps, die die Vorverarbeitung der Eingabedaten beschleunigen, können Sie KI-Modelle mit Apps wie dem Classification Learner und Deep Network Designer rasch erstellen, trainieren und testen. Beginnen Sie mit vorgefertigten Modellen, die von Experten aus der KI-Community aufgebaut wurden, damit Sie nicht bei ‚Null‘ anfangen müssen.
Machine Learning und Deep Learning sind die Kern- oder Schlüsseltechnologien im Herzen von KI. Auch wenn es etliche hilfreiche Tipps gibt, was bei der Wahl zwischen Machine Learning oder Deep Learning beachtet werden sollte, gilt: Wenn Sie große Datenmengen haben, aber nur begrenzte Erfahrung mit der Auswahl, welche Merkmale diese Daten am besten repräsentieren, bietet sich Deep Learning an, da es die relevantesten Merkmale der Daten automatisch erlernt. Wenn Ihre Datenbestände kleiner sind, Sie ‚Feature Engineering‘, sprich: eine Merkmalsgewinnung, vornehmen und daher die besten Merkmale für Ihren Algorithmus auswählen möchten, können Sie sich stattdessen auf Machine Learning und konventionelle Klassifikationsverfahren wie Support Vector Machine oder Entscheidungsbäume konzentrieren.
Machine-Learning-Methoden sind von ihrer Natur her meist einfacher ‚erklärbar#, daher entscheiden sich viele Ingenieure für diese Verfahren, weil sie genau wissen wollen, wie das Modell zu einer Entscheidung gelangt ist. Deep Learning kann äußerst präzise, dafür aber weniger intuitive „Blackbox“-Resultate liefern.
Bei der Integration von KI sollte man idealerweise sowohl Zugang zu Machine-Learning- als auch zu Deep-Learning-Methoden haben. So kann man ausprobieren, welche optimal für die eigene Anwendung geeignet sind.
Welche Tools unterstützen Ingenieure über den gesamten Workflow hinweg, vom Prototypen bis zur Produktion?
Pingel: Ingenieure sollten nicht unnötig Zeit mit der Programmierung verbringen, wenn sie sich auf wichtigere Dinge wie die Beschaffung von Daten, die Entwicklung von Modellen und das Testen der Genauigkeit konzentrieren wollen. Apps können helfen, rasch Tausende von Bespieldaten aufzubereiten oder mit Point-and-Click-Tools Modellarchitekturen aufzubauen. Außerdem ist es wichtig, Modelle so aufzubauen und zu testen, dass sie im Zusammenspiel mit sämtlichen anderen Komponenten des Systems funktionieren. Simulations-Tools wie Simulink helfen dabei, die Einzelteile miteinander zu verbinden und stellen sicher, dass das KI-Modell in einem System tut, was es soll.
Ein weiterer Punkt ist Interoperabilität. Beim Aufbau von Modellen hilft es, vom Fachwissen der breiteren KI-Community zu profitieren. Für die Erstellung eines exakten und robusten Modells ist es entscheidend, vorhandene Modelle plattformunabhängig aus unterschiedlichsten Quellen importieren und exportieren zu können.
Was sollte man bei der Verwendung von KI in Sicherheitsanwendungen beachten?
Pingel: KI-Modelle in sicherheitsrelevanten Anwendungen mit internen oder externen regulatorischen Auflagen einzusetzen, stößt auf wachsendes Interesse. Auch wenn für jede Branche unterschiedliche Anforderungen gelten, ist der Nachweis eines auf Robustheit zielenden Trainings sowie von Fairness und Glaubwürdigkeit immer wichtig. Sicherheit ist das Kernanliegen in einer Reihe interessanter Bereiche:
Es gibt einen großen Bereich laufender Forschung im Bereich der Verifikation und Validierung, der Erklärbarkeit weiter zu fassen versucht als nur schlichtes Vertrauen und den Nachweis, dass ein Modell unter bestimmten Bedingungen funktioniert. Man konzentriert sich dort auch auf Modelle, die in sicherheitskritischen Anwendungen mit vorgeschriebenen Mindeststandards eingesetzt werden. Branchen wie die Automobil-, Luftfahrt- und Raumfahrtindustrie definieren selbst, wie eine Sicherheitszertifizierung von KI für ihre spezifischen Anwendungen auszusehen hat. Konventionelle Konzepte, die durch KI ersetzt oder ergänzt werden, müssen die gleichen Standards erfüllen. Sie werden nur dann erfolgreich sein, wenn die Ausgaben der Modelle überprüfbar sind und interpretierbare Ergebnisse vorweisen.
Forum Künstliche Intelligenz |
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Künstliche Intelligenz ist mittlerweile integraler Teil vieler technischer Systeme. In zahlreichen Anwendungsgebieten eröffnen Künstliche Intelligenz (KI), Maschinelles Lernen, Deep Learning und Neuronale Netze vielversprechende Pfade der Weiterentwicklung – sei es zur Einsparung von Kosten, zur Effizienzsteigerung, zur Anreicherung bestehender Anwendungen mit neuen Funktionen oder zur Entwicklung neuer Einsatzbereiche von Hard- und Software. KI, Machine Learning, Deep Learning und Neuronale Netze sind Schlüsseltechnologien, damit Systeme autonom reagieren und selbständig aufgrund äußerer Einflüsse Entscheidungen treffen können. Das Forum Künstliche Intelligenz, das die Fachmedien Computer&Automation, Elektronik und Elektronik automotive am 17. Mai 2022 in München veranstalten, beleuchtet dazu die rasanten Entwicklungen in Hard- und Software. Es behandelt drei Themenbereiche:
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Ein weiterer wichtiger Faktor der ‚Erklärbaren KI‘ ist, dass die Ausgabe des Systems identisch mit den Erwartungen einer Person sein muss. Das ist etwas, woran Ingenieure von Anfang an denken müssen: Wie teile ich dem Endanwender meine Ergebnisse mit? Transparenz ist hier das Stichwort.
Robotik-Anwendungen sind ideal für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Einer der Megatrends ist die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter. Wie wird in diesem Anwendungsbeispiel während der Entwicklung von KI-Algorithmen dem menschlichen Faktor Rechnung getragen?
Pingel: Wenn man sich den KI-Workflow insbesondere unter dem Aspekt der Zusammenarbeit von Mensch und Roboter ansieht, sind zwei Faktoren zu nennen:
Ein hierfür relevanter Trend im Bereich der KI ist Erklärbarkeit, oder die Fähigkeit, mit KI arbeitenden Menschen verständlich zu machen, wie Machine-Learning-Modelle zu Vorhersagen gelangen. Erklärbarkeit ist zwar für sämtliche KI-Anwendungen notwendig, aber für die Interaktion zwischen Mensch und Roboter ist sie unverzichtbar. Menschen müssen verstehen können, warum ein Roboter bestimmte Entscheidungen trifft. Das erleichtert die Interaktion.
Der zweite Faktor betrifft die menschliche Sicherheit: Wenn Menschen sich in nächster Nähe zu Robotern aufhalten, ist es wesentlich, dass Sicherheit vor allem andern steht. In vielen Bereichen der Robotik können unterschiedlichste Datenquellen wie Radar oder Lidar neben herkömmlichen RGB-Kameras eingesetzt werden, damit Maschinen die Anwesenheit von Menschen unter allen Bedingungen und unabhängig von den Lichtverhältnissen erkennen können. Dadurch lässt sich sicherstellen, dass der Aufenthalt in einem bestimmten Abstand zu Robotern für Menschen ungefährlich ist.