Schwerpunkte
11. Februar 2021, 14:29 Uhr | Andrea Gillhuber
Dr. Alexander Löser ist Professor an der Beuth Hochschule und Mitglied der Plattform Lernende Systeme.
Wo kann künstliche Intelligenz wertschöpfend eingesetzt werden? Viele Mittelständer tun sich hier schwer. Wie es gelingen kann, erläutert Prof. Dr. Alexander Löser im Interview.
Viele Mittelständler zeigen sich noch zurückhaltend beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Ein erster Ansatzpunkt liegt in der Analyse der eigenen Wertschöpfungskette: Wo und wie kann KI als leistungsfähiges Rechenwerkzeug unterstützen? Wie mittelständische Unternehmen konkret von KI profitieren können, welche Prozessschritte dabei anstehen und warum die Einführung von KI die Bereitschaft zum Scheitern voraussetzt, erläutert Prof. Dr. Alexander Löser im Interview. Er ist Gründer und Sprecher des Forschungszentrums Data Science an der Beuth-Hochschule für Technik Berlin und Mitglied der Arbeitsgruppe „Technologische Wegbereiter und Data Science“ der Plattform Lernende Systeme.
Viele Mittelständler haben noch Nachholbedarf in puncto Digitalisierung. Inwiefern ist KI bereits ein Thema für sie?
Prof. Dr. Löser: Das hängt ab von der Wertschöpfungskette, zu der ein Mittelständler beitragen möchte oder die er möglicherweise bereits in Teilen oder ganz kontrolliert. Spannend wird es immer dann, wenn ein KMU schon einen Teil der Wertschöpfungskette ‚besetzt‘ hat und nach ‚links‘ oder ‚rechts‘ expandieren möchte. Ein Beispiel aus der Medizin: Krankenhäuser kontrollieren aktuell den Strom der Patientinnen und Patienten, sobald diese in der Notfallambulanz eintreffen. Doch warum erscheinen sie dort? Hier kommen die Anbieter von Apps oder Geräten ins Spiel, mit denen Menschen ihre Krankheitssymptome erheben. Die App rät ihnen, bei diesen oder jenen Symptomen, jetzt oder später, die Notfallambulanz aufzusuchen oder aber eine telemedizinische Beratung zu buchen. In anderen Ländern – mit weniger Regulatorik und für viele Menschen zu teuren Gesundheitsleistungen – kann die App auch dazu raten, ‚nur‘ ein Medikament zu kaufen. Der Anbieter dieser App steuert somit Patientinnen und Patienten über die gesamte Wertschöpfungskette – von der Erhebung der Symptome über Diagnostik, Diagnose, Behandlung und Rehabilitation bis hin zur Lebensweise. Das kann dazu führen, dass ‚klassische‘ medizinische Dienstleister Umsätze einbüßen bzw. dass bestimmte, beispielsweise lukrative Fälle umgelenkt werden – abhängig von der Marge, die der Anbieter der Gesundheits-App plant.
In Europa sollten wir KI-Technologien für derartige Anwendungen erforschen – idealerweise mit unseren starken deutschen Partnern im Gesundheitssystem – um auch in Zukunft ausreichend Souveränität aufzuweisen. Das Forschungszentrum Data Science an der Beuth Hochschule hat einen entsprechenden Use-Case für die europäische Cloud-Alternative GAIA-X vorgeschlagen: Die tiefe Patientenrepräsentation für die Differentialdiagnose. Interessierten Partnern stellen wir gern unsere Arbeiten im Clinical Deep Learning vor.