Nach VDI/VDE 3693 beinhaltet eine vollständige virtuelle Inbetriebnahme drei Phasen, beginnend mit der Model-in-the-Loop (MiL) Simulation. Die erste Phase zielt auf die prototypische Implementierung des Steuerungscodes. Der Fokus liegt auf der eigentlichen Funktionalität sowie der algorithmischen Korrektheit, nicht auf der Ausführbarkeit auf einer bestimmten Hardwareplattform. Model-in-the-Loop ist charakterisiert durch die gemeinsame Simulation von Steuerungsfunktionalität und digitalem Zwilling im selben Simulationsmodell.
In der zweiten Phase, der Software-in-the-Loop (SiL) Simulation, wird die Umsetzung des entwickelten Steuerungscodes aus der MiL-Phase in den Seriencode für die Steuerungsplattform vorgenommen. Die Simulation zusammen mit dem Anlagenmodell erfolgt ohne Echtzeitanspruch, das heißt das Anlagenmodell wird weiterhin in der Simulationssoftware ausgeführt, während der Steuerungscode in Form des Seriencodes bereits auf einer emulierten Steuerung ohne Echtzeitanspruch läuft. Die automatische Codegenerierung des Steuerungscodes sorgt dabei für ein fehlerfreies Übertragen des in der MiL-Phase getesteten Code in den Seriencode. Beckhoff bietet mit dem Twincat Interface for Matlab/Simulink ein Werkzeug zur synchronen Kopplung von Simulink mit dem Maschinen- oder Anlagenmodell und einer Twincat Usermode Runtime, welche durch Simulink den Tick zur Ausführung des nächsten Rechenzyklus erhält.
Die dritte Phase, die Hardware-in-the-Loop (HiL) Simulation, zielt auf die Einbeziehung des zeitlichen Verhaltens, also der Echtzeitfähigkeit des Gesamtsystems, ab. Entsprechend ist auch das Simulationsmodell der Maschine oder Anlage in ein echtzeitfähiges Modul zu übersetzen sowie das Verhalten der Kommunikation zwischen Steuerung und Anlage, also der Feldbus, zu simulieren. Für die HiL-Simulation bietet Beckhoff die Möglichkeit, den Ethercat-Strang mit der Twincat 3 Ethercat Simulation zu simulieren. Die Ethercat-Teilnehmer werden dabei auf einem Beckhoff IPC mit Twincat 3 als Simulation Device virtualisiert. Das mit automatischer Codegenerierung aus Simulink übersetzte Simulationsmodell wird anschließend auf dem Simulation Device instanziiert und verknüpft.
In den letzten Jahren hat Maschinelles Lernen einen beispiellosen technologischen Aufschwung erlebt. Dabei ist diese Technologie in zahlreiche sehr unterschiedliche Bereiche vorgedrungen. Insbesondere ist sie dort sehr erfolgreich, wo digitale Technologien besonders stark weiterentwickelt wurden, etwa in der Sprach- und Bilderkennung. Der Vormarsch der KI in der Automation fällt bisher vergleichsweise verhalten aus. Das liegt unter anderem an der deutlich geringeren Menge an vorhandenen Messdaten sowie an der niedrigeren Fehlertoleranz im Bereich kritischer Produktionssysteme.
Nichtdestotrotz weisen technologische Vorreiter bereits Erfolge in der Umsetzung von KI-Technologien vor, etwa in der vollautomatischen und maschinenintegrierten Qualitätskontrolle, der vorausschauenden Wartung (Predictive Maintenance), der intelligenten Trajektorienplanung oder beim smarten Assistenten für den Maschinenführer.
Die Integration gelernter KI-Modelle in die Steuerungsarchitektur ist ein entscheidender Schritt, der oft zu spät bedacht wird. Auch hier liefert die gemeinsame Toolchain von MathWorks und Beckhoff Antworten. Algorithmen aus den Bereichen Machine Learning, Deep Learning oder Reinforcement Learning lassen sich mithilfe von Apps in Matlab entwickeln und mittels Matlab Coder und Twincat Target for Matlab in Steuerungscode umsetzen, also genauso wie Steuer- und Regelalgorithmen. Das KI-basierte Programm wird vorab mit gemessenen und/oder simulierten Daten trainiert. Hier ist die Nähe zu Model-Based Design direkt ersichtlich.