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Per DMS ermittelt

13. September 2022, 8:48 Uhr | Udo Könsgen
Per DMS ermittelt
© Grasse Zur Ingenieurgesellschaft

Bei einer Werkstoffprüfung werden Eigenschaften und Strukturen eines Materials in Form von Kenngrößen durch verschiedene physikalische oder chemische Prüfungen und Messungen ermittelt. Zuverlässige Helfer dabei: Dehnungsmessstreifen.

Werkstoffprüfungen sind für Unternehmen wichtig, um abschätzen zu können, ob das neu entwickelte Bauteil künftigen Beanspruchungen standhalten wird. Für bestimmte Anwendungen und Branchen liefern sie auch geforderte Qualitätsnachweise.

Die Firma Grasse Zur Composite Testing betreibt ein akkreditiertes Materialprüflabor und hat sich auf die Prüfung faserverstärkter Kunststoffe insbesondere für die Automobilindustrie, die Luft- und Raumfahrt, die Chemie- sowie die Rotorblattindustrie spezialisiert. Die Werkstoffprüfungen sind das Kerngeschäft des Berliner Unternehmens. Darüber hinaus entwickelt es Prüfvorrichtungen – zum einen für die eigenen Prozesse, zum anderen können aber auch Unternehmen, die eigene Labore betreiben, diese Prüfvorrichtungen erwerben.

Faserverstärkte Kunststoffe eignen sich insbesondere für den Leichtbaubereich, da sie sich durch hohe spezifische Steifigkeiten und Festigkeiten auszeichnen. In der Regel werden sie für flächige Strukturen eingesetzt. Das Gros der Prüfungen bei Grasse Zur wird zerstörend durchgeführt, das heißt, das Kundenunternehmen liefert das zu prüfende Material in Form eines ausgehärteten Laminats an Grasse Zur, wo daraus ein Probekörper gefertigt wird. Dieser wird in einer Universalprüfmaschine per Zug-, Schub-, Druck- oder Biegeprüfung zerstörend geprüft, um Materialkennwerte zu ermitteln.

DMS erfassen Veränderungen des Probekörpers

Ein zentrales Hilfsmittel, um die Veränderungen des Probekörpers bei Belastungen zu erfassen, sind Dehnungsmessstreifen (DMS) von Althen. Sie ermitteln die Dehnung direkt an der Oberfläche des Probekörpers und sind für die Materialkennwert-Ermittlung von faserverstärkten Kunststoffen durch verschiedene DIN-Normen vorgeschrieben.

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Schubversuch nach ASTM D7078 mit einer Rail-Shear-Prüfvorrichtung mit einem V-förmig gekerbten Probekörper, bei dem eine DMS-Rosette mit einer Messgitterlänge von 10 mm verwendet wird. Ziel des Versuchs ist die Ermittlung der Schub-Eigenschaften (Schubmodul, Schubfestigkeit und maximale Schubdehnung).
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Ein Dehnungsmessstreifen ist ein mäandrierender Metallleiter – in der Regel aus Konstantan oder Karma –, der auf einem dünnen Träger wie Polyimid geätzt ist. Er wird vornehmlich mit spezifischen Klebern auf dem Probekörper aufgebracht. Ein DMS fungiert als elektrischer Leiter, der durch Stauchung oder Dehnung eine elektrische Widerstandsänderung zeigt, die wiederum eine Spannungsänderung indiziert und damit in ein elektrisches Signal überführt wird. Das entsprechende Messgerät kann sowohl die Spannungsänderung in mV/V ausgeben als auch direkt die tatsächliche Dehnung des DMS in µm/m anzeigen.

Da Faserverbundwerkstoffe schlechte Wärmeleiter sind, sollte ein DMS insbesondere bei Langzeitmessungen grundsätzlich aus dem hochohmigeren Bereich gewählt werden – mit mindestens 350 Ω, da die Wärmeentwicklung zu Fehlern beim Messergebnis führen könnte. Bei Grasse Zur hingegen handelt es sich um sehr kurze Prüfungen, bis der Probekörper reißt und der DMS damit zerstört wird. Diese durch die Wärmeentwicklungen entstehenden kleinen Messfehler sind zu vernachlässigen, so dass auch DMS mit 120 Ω ausreichen.

Größere DMS für ein gutes Messergebnis

Für ein bestmögliches Messergebnis wählt Grasse Zur möglichst große DMS aus, wobei groß hier eine Messgitterlänge von 10 mm bedeutet; kleine DMS haben eine Messgitterlänge von circa 2 mm. Die DMS sollten jeweils so groß wie möglich sein, um eine gute Mittelung über die Zugprobe zu erreichen. Ungünstig ist es bei einem Faserverbundstoff, wenn der DMS nur ein Faserbündel abdeckt, anstatt über mehrere Faserbündel hinweg zu messen. Dies verfälscht das Messergebnis. Limitierend auf die Größe des DMS wirken sich die Abmessungen des jeweiligen Probekörpers aus, der in der Regel 100 bis 250 mm lang ist und 10 bis 25 mm breit.

Die DMS werden dann je nach Prüfungsanliegen in Längs- und in Querrichtung auf den Probekörper aufgeklebt: Hauptsächlich werden Linear-DMS genutzt, die einen einachsigen Spannungszustand messen. Bei einem zweiachsigen Spannungszustand – wenn Kräfte sowohl in Zugrichtung der Zugprobe als auch rechts und links um 90° versetzt angreifen –, kommt ein 0/90°-DMS (T-Rosette) zum Einsatz. Ist die Hauptdehnungsrichtung unbekannt, also unklar, wo die Kräfte angreifen, wird eine dreiachsige 0/45/90°-Rosette mit drei Gittern genutzt. Theoretisch lassen sich alle Messungen mit einzelnen Linearstreifen bewerkstelligen, die der Anwender selbst in die richtige Anordnung bringt. Um Nutzer die Messung zu erleichtern, bietet Althen die 0/90°- und die 0/45/90°-Variante bereits fertig an. So muss nur ein einziger Dehnungsmessstreifen mit entsprechender DMS-Gitteranzahl aufgeklebt werden.

Akkurater Klebevorgang

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Schubversuch nach DIN EN ISO 14129 mit Flachprobekörpern in einer servohydraulischen Prüfmaschine von MTS, bei dem eine DMS-Rosette mit einer Messgitterlänge von 10 mm verwendet wird. Ermittelt werden die Schub-Eigenschaften (Schubmodul, Schubfestigkeit und maximale Schubdehnung). Für den Versuch wird keine Prüfvorrichtung benötigt, es genügt ein übliches Spannsystem.
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Aufgebracht werden DMS bei Grasse Zur in der Regel mit einem schnell trocknenden Cyanacrylat- oder Sekundenkleber des Typs CN. Bei einer Kurzzeitmessung ohne Umwelteinflüsse oder höhere Temperaturen (Messungen sind bis +120 °C möglich) ist ein Sekundenkleber ausreichend. Die Klebeschicht muss sehr dünn aufgetragen werden, da die Messung andernfalls nicht am Bauteil stattfinden würde, sondern etwas oberhalb davon. Auch Einschlüsse durch Luftblasen oder Staubkörner dürfen nicht entstehen, da sie das Messergebnis ebenfalls verfälschen können.

Bei höheren Prüftemperaturen greift Grasse Zur auf einen Epoxidharzkleber von Althen zurück, der etwas aufwendiger in der Anwendung ist, da er angerührt werden muss und der DMS später unter einem vorgeschriebenen Anpressdruck länger aushärtet.

Wichtig vor dem Klebevorgang ist, das Bauteil zu präparieren, damit der Kleber und damit der DMS gut halten. Dazu ist beim Faserverbundwerkstoff eine gewisse Rauigkeit an der Oberfläche nötig. Aber: Die Fasern des Verbundwerkstoffs dürfen durch Schleifen oder Anrauen nicht verletzt werden, um die Prüfung nicht zu verfälschen. Ergo sind viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl des Mitarbeiters gefragt, damit er beim Anrauen die Fasern nicht beschädigt. Je harzreicher die Werkstoffe sind, desto unempfindlicher sind sie gegen Schleifverletzungen.

Festigkeit und Steifigkeit

Insbesondere für zwei Kennwerte muss der DMS während der Prüfung gut und sicher halten: die Ermittlung der Festigkeit und die Ermittlung der Steifigkeit eines Probekörpers. Die Festigkeit beschreibt, bei welcher maximalen Kraft der Werkstoff zerstört wird. Hierzu wird die Kraft mit der Fläche ins Verhältnis gesetzt. Diese Kenngröße wird am Ende des Prüfvorgangs, im Moment des Zerreißens, ermittelt. Die Steifigkeit zeigt, wie viel Kraft aufgewendet werden muss, um einen Probekörper zu verformen. Sie wird gleich zu Beginn der Prüfung festgestellt, während sich das Werkstoffverhalten noch im linear-elastischen Bereich befindet. An diesem Punkt könnte der Probekörper beim Einstellen des Zugvorgangs in seine ursprüngliche Form zurückkehren.

Eine weitere Kenngröße ist die Bruchdehnung. Sie gibt an, wie weit der Probekörper in dem Moment gedehnt wurde, in dem er versagte, also in dem Moment, in dem die Festigkeit ermittelt wurde. War der DMS nicht gut verklebt, kann es sein, dass sich zwar die Steifigkeit zu Beginn und auch die Festigkeit am Ende messen lassen, nicht aber die Bruchdehnung, da der DMS in diesem Moment nicht mehr richtig geklebt hat.

Integrierte Kabelanschlüsse am DMS

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Der Autor: Udo Könsgen ist Mitarbeiter in der technischen Beratung für DMS & Vertrieb bei Althen Mess- & Sensortechnik in Kelkheim.
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Ein Mehrwert der von Althen vertriebenen Dehnungsmesstreifen ist die optional bereits integrierte Verkabelung, die für Kunden eine deutliche Zeitersparnis bei der Applizierung bedeutet: Der DMS ist direkt aufzukleben und anzuschließen, ohne Lötvorgang oder ähnliches und ist damit nach der Klebung sofort einsatzbereit.


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