Die Firma Beckhoff engagierte sich von Anfang an bei dem europäischen Projekt Gaia-X. Gerd Hoppe aus dem Corporate Management bei Beckhoff, erläutert, warum dem Automatisierungshersteller ein transparentes digitales Ökosystem a lá Gaia-X so am Herzen liegt.
Die Firma Beckhoff und auch Sie persönlich sind ja von Anfang an sehr stark engagiert beim Projekt Gaia-X. Was war Ihre Motivation hierfür und wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht generell, dass sich die Automatisierer hier engagieren?
Gerd Hoppe: Die dominanten B2C-Cloud-Anbieter lassen, was die Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle betrifft, vieles vermissen. Egal, ob wir hier über die notwendige Souveränität über Daten, Geografie und Legislation-Aspekte oder den Austausch von Anwendern und Anbietern für Daten und Services innerhalb einer Domäne und darüber hinaus sprechen. Hier kann Europa definitiv Akzente setzen! Und eine wunderbare Grundlage eines solchen möglichen europäischen Ansatzes für Data Spaces hat doch unsere Industrie 4.0 Initiative gelegt. Das ist schon mal eine gute grundsätzliche Motivation, um mitzumachen.
Hinzu kommt, dass die domänenübergreifende sowie die europäische und anwenderzentrierte Arbeitsweise definitiv überzeugende Argumente für die Beteiligung der Automatisierung sind. Automatisierung bedeutet Abstraktion, das liegt in der Natur der Sache, und Automatisierung durchdringt sämtliche Anwenderdomänen: Daher haben auch Automatisierer bei Gaia-X starke Beiträge zur Architektur geleistet und werden von Gaia-X deutlich profitieren.
Gaia-X ist ja vor allem auch ein politisch stark getriebenes Thema! Wie wirkt sich dies auf den Fortgang des Projektes aus?
Europa kann von politisch begleiteten Wirtschafts- und Industrieinitiativen Nutzen ziehen, um einheitliche Standards nach europäischen Grundsätzen der Größe unseres Wirtschaftsraumes entsprechend zu platzieren. Was Gaia-X in diesem Zusammenhang betrifft, so haben Deutschland und Frankreich einen guten Aufschlag gemacht. Hubs für Gaia-X sind bereits in nahezu allen europäischen Ländern gegründet worden und formen die Organisation der Anwender in allen Domänen für Gaia-X, die nach Satzung ja auch eine Anwender-zentrische Organisation sein soll.
Klar stimmt auch: Europäische Projekte sind europäisch bunt und vielschichtig, mit einer Vielzahl von Teilnehmern im Projekt. Diese Vielschichtigkeit erzeugt nur mäßig rasches Voranschreiten, was aber letztlich den Teilnehmern, nicht der Politik vorzuhalten ist.
Bis wann rechnen Sie, dass sich Gaia-X tatsächlich zu einer praxistauglichen Alternative zu den bis dato proprietären großen Cloud-Anbietern herausbildet?
Mehrere Gaia-X-Initiativen erarbeiten gerade in Form von Beta-Implementierungen erste Stacks für Identity und Trust; Pilotanwendungen zu Use Cases werden als Förderprojekte verprobt. Aber: Der Größe der Aufgabe geschuldet, wird noch einige Zeit ins Land gehen, zumal Gaia-X mit der Digitalisierung der Anwenderdomänen wächst. Und dennoch: 2022 ist auf der 5-Jahre-Roadmap der Assoziation als das Jahr für erste Implementierungen geplant, 2023 als Jahr des Wachstums im Markt.
Was empfehlen Sie Ihren Mitwettbewerbern und Ihren Kunden: Ab wann sollten Sie sich mit dem Thema Gaia-X befassen? Und wie kann der Einstieg in dieses Thema aussehen?
Im Endeffekt sollten sich die Firmen einfach intensiv mit ihren eigenen Produkten befassen: Sollen diese Produkte digitale Mehrwertdienste umfassen, dann gibt es diverse Umsetzungsallianzen und Förderprojekte, in denen Cloud- und Dateninteraktion nach Gaia-X-Prinzipien konkret verprobt werden und denen man sich anschließen kann. Das Gaia-X Framework wird diese Initiativen und Projekte implementieren, so verfügbar. Und wir haben Beispiele, da funktioniert das schon sehr gut: Große Umsetzungsgeschwindigkeit erreicht aktuell die Initiative Catena-X im Automotive-Bereich, aber auch die Open Industrie 4.0 Alliance organisiert die Umsetzung von Cloud-Interoperabilität für die Fertigungslogistik und Prozessindustrie – ein sehr praktischer Ansatz.
Darüber hinaus kann die Mitarbeit im nationalen Gaia-X Hub dafür sorgen, dass die Belange der eigenen Anwenderdomäne berücksichtigt werden. Interessanterweise ist dort die Zusammenarbeit der Beteiligten gerade durch den Austausch auch außerhalb der eigenen Domäne sehr befruchtend.