Welche Optionen für ein drahtloses TSN gibt es? Ingrid Moerman und Jeroen Hoebeke, Experten der Universitäten Gent und Antwerpen, gehen auf die 5G- und Wi-Fi-Varianten ein und stellen einen Open-Source-Chip für Wireless-TSN vor.
Ingrid Moerman und Jeroen Hoebeke sind Experten für drahtlose Netzwerk-Technologie bei IDLab, einer imec-Forschungsgruppe an der Universität Gent, und der Universität Antwerpen. In diesem Artikel bewerten sie die verschiedenen Technologie-Optionen für die Einführung von drahtlosen TSN-Netzen. Sie gehen auch auf die Bedeutung einer exakten Zeitsynchronisation ein und zoomen dabei auf den kürzlich entwickelten Open-Source- Chip ‚Openwifi‘.
Ingrid Moerman: „Wenn es um die Einführung von drahtlosen TSNs geht, setzt die 5G-Community auf die kürzlich spezifizierte 5G-URLLC-Funktion – die ‚Ultra Reliable Low-Latency Communication‘. Mit der Einführung von 5G URLLC will die Community so nah wie möglich an die Leistungsspezifikationen von Ethernet-basierten TSNs herankommen. Konkrete Ziele sind eine Signalverzögerung von nicht mehr als 1 Millisekunde, eine Zeitsynchronisationsgenauigkeit von nicht mehr als 1 Mikrosekunde und eine Zuverlässigkeit von 99,999 %. Damit hat 5G unbestreitbar einen großen Trumpf in der Hand.“
„Davon abgesehen hat Wi-Fi aber auch seine Vorteile“, so Moerman. „Zum einen lässt sich ein Wi-Fi-Netzwerk viel einfacher, schneller und kostengünstiger installieren als ein zellulares. Und zum anderen ist da der Faktor Kompatibilität: Ethernet – IEEE 802.3 – und Wi-Fi – IEEE 802.11 – gehören zur gleichen Familie von Standards. Das macht Wi-Fi zur naheliegendsten Technologieoption für Unternehmen, die ihr kabelgebundenes Ethernet-Netzwerk in eine drahtlose Alternative umwandeln wollen.“
„Auf der Funkebene sind 5G und Wi-Fi ziemlich ähnlich – sie können ungefähr die gleichen Bitraten verarbeiten. Der große Unterschied ist, dass 5G lizenziertes Spektrum nutzt, das exklusiv einem Telekommunikationsbetreiber zugewiesen ist. Wi-Fi hingegen arbeitet im freien Spektrum – und ist daher an strengere Höflichkeitsregeln gebunden“, sagt sie.
„Wenn ein Wi-Fi-Gerät das freie Spektrum nutzen möchte, muss es zunächst überprüfen, ob keine anderen Geräte dasselbe Funkband nutzen“, fügt Jeroen Hoebeke hinzu. „Das hat zur Folge, dass jedes Mal, wenn ein drahtloses Paket übertragen wird, eine – unvorhersehbare – kürzere oder längere Pause eingelegt werden muss. Und das kann die Latenzzeit erhöhen. Hier hat also 5G – das strenger reguliert ist – einen klaren Vorteil.“
„Aber das könnte sich ändern“, meint er. „Einige Länder erlauben bereits den Kauf von lokalem Spektrum für den Aufbau eines privaten 5G-Netzwerkes. Da das Funkspektrum aber technologieneutral ist, könnte man das gleiche Prinzip anwenden, um ein Wi-Fi-Netz aufzubauen, das nicht mehr an diese strengeren Höflichkeitsregeln gebunden wäre.“
Ingrid Moerman: „Aber letztendlich erwarten wir, dass 5G und Wi-Fi koexistieren werden. Auch wenn es um die Unterstützung zeitkritischer Netzwerke geht. Aufgrund ihrer größeren Reichweite werden Mobilfunktechnologien wie 5G bei TSN-Einsätzen im Freien leicht im Vorteil sein, während Wi-Fi a priori für den Einsatz in Innenräumen geeignet ist. Aber letztlich hängt alles davon ab, dass die Technologien eine noch genauere Zeitsynchronisation unterstützen.“