IoT

Ohne Prüfstandsdaten keine Industrie 4.0

25. Februar 2019, 15:31 Uhr | Andreas Knoll
Rahman Jamal, National Instruments: "Auch der Prüfstand selbst muss auf dem Prüfstand stehen und überwacht werden."
© National Instruments

Wenn es um das Industrial IoT geht, stehen meist Maschinen und Anlagen im Fokus, wohingegen automatisierte Prüfsysteme eher stiefmütterlich behandelt werden. National Instruments (NI), seit einiger Zeit auf automatisierte Prüfsysteme fokussiert, schickt sich an, das zu ändern.

Rahman Jamal, Business & Technology Fellow von National Instruments, nimmt dazu Stellung.

Zunächst eine banal klingende Frage: Was verstehen Sie unter IoT?

Rahman Jamal: Das Thema IoT ist in aller Munde, aber die Sichtweisen dazu sind sehr unterschiedlich, so dass Ihre Frage durchaus berechtigt ist. Wir definieren das IoT als Vernetzung von Geräten und Systemen, die immer mehr Daten erzeugen; es umfasst also auch automatisierte Prüfsysteme, sofern sie vernetzt sind.


Welche Bedeutung für die industrielle Produktion messen Sie dem IoT zu?

Rahman Jamal: Das IoT betrachten wir neben dem 5G-Mobilfunk und autonomen Fahrzeugen als den wichtigsten technischen Trend mit Auswirkungen auf die Industrie. Wir unterscheiden dabei zwei Arten von IoT: das IoT für kommerzielle Anwendungen und das IIoT - Industrial IoT - für Smart Production, autonome Fahrzeuge und die Energieversorgung mittels Smart Grids, um nur einige Beispiele zu nennen. In Deutschland werden unter Smart Production hauptsächlich automatisierte Maschinen und Anlagen verstanden, wohingegen automatisierte Prüfstände und der Fertigungstest nicht allzu sehr im Fokus stehen. Aus unserer Sicht sind sie aber wichtig, und eine Industrie-4.0-Strategie ohne automatisierte Prüfstände und ohne Einbeziehung von Fertigungstestdaten ist unvollständig. Test-Asset-Management wird ein integraler Bestandteil von Industrie 4.0 sein.

Die Entwicklung in Richtung IoT macht allerdings Design und Test zunehmend komplex. Immer mehr Funktionen werden in Software abgebildet und verändern sich schnell. Die Frage ist also: Wir wissen, was das IoT mit dem automatisierten Testen macht – aber was kann das IoT für das automatisierte Testen machen?


Eine gute Frage - welche Möglichkeiten sehen Sie?

Rahman Jamal: Automatisierte Prüfstände müssen ebenso im IIoT vernetzt sein wie Maschinen und Anlagen; sie erzeugen ja viele Daten, die analysiert werden sollten. Wir unterscheiden verschiedene Arten von Daten, etwa Parametrierungsdaten, Messdaten, Anwendungsdaten des geprüften Produkts und Zustandsdaten des Prüfstands. Diese Daten lassen sich dann mit IoT-Services bearbeiten, was ja letztlich der Mehrwert des IoT ist. Und man kann je nach Anwendung entscheiden, wo das geschehen soll: in der IoT-Cloud-Plattform, in der ERP- oder MES-Lösung oder am Edge. Sorgt man dafür, dass die Analytics-Software auf Testdaten ausgelegt ist, so ergeben sich viele Vorteile. So lassen sich die Testdaten auch mit Fertigungs- und Design-Daten in Korrelation bringen. Außerdem können die unterschiedlichsten Analysen durchgeführt werden – angefangen bei den einfachen Statistiken bis hin zu Algorithmen aus der künstlichen Intelligenz oder maschinellen Lernverfahren. Auch lassen sich gängige Werkzeuge wie Python, R und Matlab in den Arbeitsablauf integrieren. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Daten vernetzt und von unterschiedlichen Stellen aus einsehbar sind. Aber der Prüfstand selbst muss ebenfalls auf dem Prüfstand stehen und überwacht werden – IoT-Techniken lassen sich in diesem Sinne nutzen.

Mittlerweile schießen kommerzielle IoT-Plattformen wie Pilze aus dem Boden. Anstatt alles selbst zu erfinden, kann man von ihnen in der Industrie profitieren. Ihr Aufgabenspektrum ist folgendes: Sie gewähren Zugriff auf Daten und kümmern sich um die so genannte „Data Ingestion“, also die Priorisierung von Datenquellen, die Validierung unterschiedlicher Dateien und deren sinnvolle Weiterleitung; sie managen Endpoints und Connectivity; sie erfassen, prüfen, priorisieren und verarbeiten Daten in unterschiedlichen Formaten; sie analysieren und visualisieren Daten; und sie entwickeln und managen Anwendungen von IoT-Geräten.


Welche Voraussetzungen müssen automatisierte Prüfsysteme mitbringen, um all dies zu ermöglichen?

Rahman Jamal: Momentan sind die meisten automatisierten Prüfstände nicht gut vernetzt, obwohl sie mehr und mehr global verteilt sind. Es handelt sich bei ihnen dann um Insellösungen. Außerdem gibt es hier einen Wildwuchs an Messgeräteschnittstellen wie GPIB, LXI und serielle Protokolle. Systeme sind oft kunterbunt verteilt, und dem Anwender fehlt der Überblick, wo und in welchem Zustand sie sich befinden. Denken Sie an Treiber- und Software-Version, Hardware-Varianten und all diese Dinge. Sprich, die Systemverwaltung bei verteilten Testsystemen ist eine echte Herausforderung.

Hier setzt unser „SystemLink“ an, eine Middleware für das System-, Daten- und Test-Management von Prüfständen. SystemLink bietet eine zentrale Oberfläche für die Automatisierung von Aufgaben wie etwa Software-Verteilung, Remote-Gerätekonfiguration und Systemzustands-Überwachung. Es ermöglicht die Vernetzung und Verwaltung verteilter Systeme von NI und Drittanbietern über eine einzige zentrale Oberfläche, auf die Anwender von überall aus zugreifen können.


Welche Architektur muss ein automatisiertes Prüfsystem haben, damit es IIoT-fähig wird?

Rahman Jamal: Die Grundlage für jeden einzelnen automatisierten Prüfstand ist zunächst ein Software-definierter Ansatz mit einem hohen Grad an Modularität. Das ist das A und O.

Für das Testen neigt man eher zu proprietären, organisch gewachsenen zentralen Lösungen. Dabei wäre eine gut strukturierte modulare Testsoftware-Architektur mit Testverwaltung, Prüfcode, Mess-IP, Gerätetreibern, Hardware-Abstraktionsschichten usw. eine hervorragende Basis dafür, die vielen Vorteile etwa des Cloud-Computings zu nutzen.

Auf Grundlage der unterschiedlichen Daten kann der Anwender die vielfältigsten Dienstleistungen für das automatisierte Testen anwenden, angefangen bei einfachen Messaging Services bis hin zu ausgefeiltem Deep Learning und KI-Algorithmen, die seinen Workflow optimieren. Man spricht nicht zufälligerweise davon, dass die Zukunft im so genannten „Internet of Services“ liegt.

Und auf dieser Basis kann der Anwender dann entscheiden, was er in die Cloud verlagern möchte, was er an die ERP-Systeme weitergeben will, welche Reports generiert werden sollen, all die Dinge, die für Business-Entscheidungen wichtig sind.

National Instruments auf der embedded world 2019: Halle 4, Stand 108

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