Tipps von der Coachin

Souveräner und offener Umgang mit Konflikten

28. Juni 2022, 9:52 Uhr | Susanne Schlenker
© Pixabay/CC0

Wer kennt das nicht – Konflikte am Arbeitsplatz! Unfreundliche Kolleg*innen oder vermeintlich unkooperative Teammitglieder sorgen schon mal für Stress und Streit. Doch wie geht man damit um? Tipps gibt Coachin Susanne Schlenker.

Vor vielen Jahren teilte ich mir ein Büro mit zwei Kolleginnen und einem Kollegen. Eines Tages stellte ich eine fachliche Frage an den Kollegen. Er war kurz angebunden, wies mich ab und sagte, ich solle ihm eine Einladung für ein Meeting schicken, um das Thema später zu besprechen.

Diese Reaktion hatte mich vor den Kopf gestoßen. Sie traf mich gänzlich unvorbereitet und ich reagierte sehr emotional. Mir schossen die Tränen in die Augen und dann rannte ich auf die Toilette. Dort beruhigte ich mich erst einmal. Allmählich konnte ich wieder klarer denken. Ich fragte mich, was da eigentlich geschehen war. Was hatte mich so aus der Bahn geworfen? So ganz genau hatte ich es nicht verstanden. Ich wusste nur, dass ich wütend und enttäuscht war.

Weil ich den Ärger nicht in mich hineinfressen wollte, sprach ich meinen Kollegen gleich an, als ich von der Toilette zurückkam. Ich schilderte ihm, wie ich die Situation erlebt hatte und was in meinem Kopf vorgegangen war. Dann fragte ich ihn, warum er eigentlich so kurz angebunden gewesen war.

Es stellte sich heraus, dass er konzentriert an einer wichtigen und dringenden Aufgabe arbeitete, als ich ihn ansprach. Meine Unterbrechung hätte ihn abgelenkt. Er betonte, dass er es nicht böse gemeint habe.

Dies half mir dabei, ihn in einem anderen Licht zu sehen und verständnisvoll zu reagieren. Nachdem das geklärt war, fiel mir ein Stein vom Herzen und ich war sehr froh, dass ich ihn sofort angesprochen hatte.

Was war geschehen?

Solche Situationen treten im Arbeitsleben immer wieder auf. Sie sind per se nicht schlecht. Wenn wir verstehen lernen, wie sie entstehen und was sich dahinter verbirgt, können wir einen souveränen und besseren Umgang damit finden.

5 Schritte zum offenen Umgang mit Konflikten

Wenn Sie emotional von einer Situation überwältigt werden, dann helfen die folgenden sechs Schritte, um die Kontrolle über die Situation wiederzuerlangen.

  1. Ruhe bewahren
    Verschaffen Sie sich Zeit, z.B. indem Sie drei Mal tief durchatmen. Sagen Sie erst einmal nichts. Dadurch verhindern Sie eine automatische Reaktion bzw. eine Kurzschlusshandlung, die Ihnen im Nachhinein vielleicht leidtut.
    Wenn Sie bemerken, dass das Atmen allein nicht hilft, können Sie den Raum verlassen. Bei heftigen Gefühlen wird die Amygdala aktiviert, also der Teil in unserem Gehirn, der für instinktive, automatische Reaktionen zuständig ist. Das Atmen und der Abstand können helfen, die Amygdala zu beruhigen. Somit können Sie wieder rational und klar denken.
  2. Gefühle wahrnehmen und benennen
    Versuchen Sie herauszufinden, warum Sie so heftig reagiert haben. Nehmen Sie dazu Ihre Gefühle wahr. Sind Sie wütend, enttäuscht, einsam, traurig oder ist es ein anderes Gefühl?
    Im nächsten Schritt können Sie diese Gefühle, verpackt in eine neue Formulierung, benennen, sie innerlich aussprechen und so eine innere Distanz erzeugen. Spüren Sie nach, ob es einen Unterschied macht, wenn Sie sagen: »Ich bin wütend!« oder »Ich spüre Wut.«
  3. Bedürfnisse erkennen
    Was wollen uns Gefühle sagen? Welche Botschaft steckt hinter Gefühlen? Dies herauszufinden ist wichtig, denn die Gefühle sind der Schlüssel für das dahinterliegende Bedürfnis.
    Positive Gefühle sind ein Zeichen, dass unsere Bedürfnisse erfüllt sind. Wir fühlen uns sehr gut. Hingegen deuten negative Gefühle immer auf ein unerfülltes Bedürfnis hin. Hinter der Wut könnte auch Traurigkeit liegen. So könnten Sie traurig darüber sein, dass Sie jemand nicht wahrnimmt. Das unerfüllte Bedürfnis wäre dann z.B. Zugehörigkeit.
    So gesehen können Sie Ihren negativen Gefühlen vielleicht sogar dankbar sein. Sie helfen Ihnen, besser für sich selbst und Ihre Bedürfnisse zu sorgen.
  4. Das Gespräch suchen
    Gehen Sie mit diesem Wissen dann offen und wertfrei auf die Person zu und bitten sie um ein Gespräch. Erläutern Sie, warum Sie mit ihr sprechen möchten, und schildern Sie Ihre Sichtweise. Dann geben Sie der Person die Gelegenheit, zu antworten. Hören Sie zu und lassen Sie sie ausreden.
  5. Eine wertschätzende Beziehung entwickeln
    Denken Sie daran, dass es nicht darum geht, dass eine Seite Recht behält. Es geht vielmehr darum, Vertrauen und gegenseitiges Verständnis aufzubauen und mit der Person auf einer anderen Ebene in Verbindung zu treten.

Auf diese Weise können Sie Ihren Gefühlen und Bedürfnissen immer mehr auf die Spur kommen. Dann können Sie sich einfacher und mit einer offenen und wertfreien Haltung für die Welt des anderen interessieren und auf ihn zugehen. Somit geben Sie ihm die Möglichkeit, seine Sicht zu erläutern. Es entsteht Verständnis auf beiden Seiten und es ist erstaunlich, wie schnell sich die Situation auf einmal entspannt und sich der Konflikt lösen kann. Es ist sogar möglich, dass auf diese Weise eine engere Verbindung zu ihren Kollegen entsteht und das Arbeitsklima sich nachhaltig verbessert.

Die Autorin

Susanne Schlenker, Leadership Choices
Susanne Schlenker, Leadership Choices
© Susanne Schlenker

Susanne Schlenker ist langjähriger Coach bei Leadership Choices, Resilienz- und Achtsamkeitstrainerin sowie Sterbe- und Trauerbegleiterin. Als gebürtige Amerikanerin und mit ihrer 26-jährigen internationalen Konzernerfahrung unterstützt sie Führungskräfte, ihre Selbstwahrnehmungs- und Selbstführungskompetenzen zu entwickeln.

In ihr eigenes Programm »Corporate Human Growth with Mindfulness« zur Stärkung der Resilienz floss ihre Erfahrung in der Einführung von Achtsamkeit in Unternehmen ein. Zudem ist sie bei Leadership Choices in deren FiRE-Modell der Resilienz zertifiziert und wirkt dort als Co-Lead der Resilienz-Community.


Das könnte Sie auch interessieren

Verwandte Artikel

Leadership Choices GmbH