Tipps von der Coachin

Konflikte mit wertschätzender Kommunikation lösen

4. Oktober 2022, 8:28 Uhr | Susanne Schlenker
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Wo Menschen zusammenkommen oder -arbeiten, kann es Situationen geben, in denen unterschiedliche Standpunkte, Interessen und Bedürfnisse aufeinandertreffen. Manchmal führt dies auch zu Konflikten. Ein wertschätzender Umgang mit seinen Mitmenschen mag ein erster Schritt sein.

Was kann nun jeder Beteiligte dazu beitragen, dass die unterschiedlichen Sichtweisen der Personen zu einer möglichst für alle Seiten passenden Lösung integriert werden?

Einführend ein Beispiel: Frau Weiß ist eine geschätzte und langjährige Mitarbeiterin. Seit einiger Zeit ist sie bei der Arbeit unzufrieden und fühlt sich gestresst. Ihre letzte Beförderung ist nun fünf Jahre her und ihr Chef hat ihr beim letzten Personalgespräch zugesagt, dass sie dieses Jahr befördert wird. Widererwartend kam es anders. Ihr Kollege, Herr Schmidt, der erst seit einem Jahr in der Abteilung arbeitet, wurde stattdessen befördert. Sie hat das Gefühl, übergangen worden zu sein, traut sich jedoch nicht, diese Enttäuschung bei ihrem Chef anzusprechen. Außerdem ist sie ihrem Chef gegenüber zunehmend ungehalten. Weil sie die Gedanken an die ausbleibende Beförderung nachts wachhalten, kommt sie zu mir ins Coaching. Sie möchte lernen, einen besseren Umgang mit der Situation zu finden, und ihre Spannungen zu ihrem Chef zu lösen. 

Aus der Opfer- in die Gestalterhaltung

Im ersten Schritt wandten wir uns ihrer Haltung zu. Wir stellten fest, dass sie ihrem Chef die „Schuld“ an ihrer Unzufriedenheit gab. Sie beschwerte sich bei Kollegen und ihrem Partner über ihn, sprach jedoch ihren Chef diesbezüglich nicht direkt an. Das ist typisch für die Opferhaltung, in der wir andere für unsere Unzufriedenheit verantwortlich machen. In dieser Haltung verharren wir oftmals, da der sekundäre Gewinn der Opferhaltung im entgegengebrachten Mitleid und Verständnis des Umfelds liegt. Dies dient aber nicht der Lösung des Problems.

Wie gelang es Frau Weiß schließlich wieder zur Gestalterin ihres Lebens zu werden und in die Eigenverantwortung zu gehen?

Abstand gewinnen und neutral betrachten

Hierfür schauten wir zunächst aus der Vogelperspektive auf die Situation, indem wir mit einer neutralen und nichtwertenden Haltung die Fakten benannten. Dies führte zu einer Distanzierung zwischen der Situation und den Gefühlen.

Anschließend war sie in der Lage, Fragen zu beantworten wie »Welche Gefühle löst das bei mir aus?« und »Was hat die Situation mit mir selbst zu tun?« oder »Welches Bedürfnis wird bei mir gerade nicht erfüllt?«.

Bei Frau Weiß waren Enttäuschung, Wut und Traurigkeit vorherrschend. Negative Gefühle sind per se nicht schlecht. Sie sind sogar wertvolle Signale, die uns auf unsere unerfüllten Bedürfnisse hinweisen. Wir müssen nur lernen, sie als solche wertzuschätzen und die Botschaft dahinter zu entschlüsseln.

Hinter den Gefühlen von Frau Weiß steckten die Bedürfnisse nach Wertschätzung und der Anerkennung ihrer Leistung. Auch das Bedürfnis nach Zuverlässigkeit - ihr wurde die Beförderung vor Jahren versprochen – wurde verletzt. Die Nichterfüllung dieser Bedürfnisse führte bei ihr zu einem Vertrauensverlust zum Chef. Folglich verringerten sich ihre Motivation, Aufgaben zu erledigen und im Team zusammenzuarbeiten.

Das Gespräch suchen

Mit dem Verstehen dieser Zusammenhänge konnte Frau Weiß das Gespräch mit ihrem Chef suchen. Sie konnte ihn mit einer offenen und interessierten statt einer anklagenden Haltung heraus fragen, weshalb sie nicht befördert worden ist. Gleichzeitig konnte sie nun mit ihm über ihre Enttäuschung und die daraus resultierenden Folgen sprechen. Damit hat sie die Verantwortung für ihre Gefühle übernommen und kam so wieder in selbstwirksames Handeln.

Der Chef bedankte sich bei ihr für das offene Gespräch und die Darstellung der Situation aus ihrer Sicht. Er bemerkte den Leistungsabfall von Frau Weiß und konnte sich dies nicht erklären. Ihm war außerdem nicht bewusst, dass er die berechtigte Beförderung von Frau Weiß zugunsten von Herrn Schmidt vorgenommen hatte. Seine Leistungsbewertung bezog sich auf ein von Herrn Schmidt erst kürzlich erfolgreich abgeschlossenes Projekt.  

Neue Lösungen finden

Nach so einem klärenden Gespräch auf beiden Seiten ist es schließlich wesentlich einfacher, neue Lösungen zu finden, die für beide Seiten stimmig sind. Sie vereinbarten einen regelmäßigen Jour Fixe, damit der Chef kontinuierlich über die Leistungen von Frau Weiß informiert wird. Eine Beförderung wurde für das Folgejahr in Aussicht gestellt. Zusätzlich erhielt sie die Möglichkeit, eine lang ersehnte Fortbildung während ihrer Arbeitszeit zu machen.

Zu diesen Lösungen konnten beide Seiten »Ja« sagen. Ihre Einstellung zum Chef, dem Kollegen und der Arbeit gegenüber wandelte sich wieder zum Positiven. Auch ihr Stressempfinden reduzierte sich in der Folge.

Dieses Beispiel demonstriert, dass mithilfe einer wertschätzenden Kommunikation ein Konflikt beigelegt werden kann.

Wenn ein Gespräch nicht hilft?

In Fällen, in denen das nicht funktioniert, z.B., wenn Narzissmus, Ignoranz oder persönliche Befindlichkeiten eine Rolle spielen, empfehle ich, entsprechend dem englischen Sprichwort: »Love it, change it, or leave it.« vorzugehen. Wir sollten uns also zunächst fragen: Kann ich die Situation lieben, d.h. gut damit leben? Wenn nicht: Kann ich sie oder meine Haltung dazu ändern? Wenn auch das nicht möglich ist, und ich alles versucht habe, bleibt noch die Möglichkeit, die Situation zu verlassen. In dem konkreten Beispiel hieße das, die Abteilung oder das Unternehmen zu verlassen. Dies ist das letzte Mittel der Wahl, wenn die Situation einen selbst unglücklich werden lässt oder sogar psychosomatische Symptome auftreten, die letztendlich auch zu stressbedingten Krankheiten führen können.

Die Autorin

Susanne Schlenker, Leadership Choices
Susanne Schlenker, Leadership Choices
© Susanne Schlenker

Susanne Schlenker ist langjähriger Coach bei Leadership Choices, Resilienz- und Achtsamkeitstrainerin sowie Sterbe- und Trauerbegleiterin. Als gebürtige Amerikanerin und mit ihrer 26-jährigen internationalen Konzernerfahrung unterstützt sie Führungskräfte, ihre Selbstwahrnehmungs- und Selbstführungskompetenzen zu entwickeln.

In ihr eigenes Programm »Corporate Human Growth with Mindfulness« zur Stärkung der Resilienz floss ihre Erfahrung in der Einführung von Achtsamkeit in Unternehmen ein. Zudem ist sie bei Leadership Choices in deren FiRE-Modell der Resilienz zertifiziert und wirkt dort als Co-Lead der Resilienz-Community.  


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