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Transparenz in der Prozessindustrie

4. Mai 2022, 14:43 Uhr | Andreas Hennecke
Ethernet über eine Zweidrahtleitung für das Feld der Prozessanlage
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Bessere Einblicke in die Daten von Sensoren und Aktuatoren stehen im Mittelpunkt der Prozessautomation von morgen. Ethernet-APL spielt dabei eine entscheidende Rolle. Mit seiner Einführung sind jedoch einige Faktoren zu berücksichtigen.

Bei der Digitalisierung in der Prozessautomation treffen zwei etablierte Technologien aufeinander: das Ethernet und die geschirmte, verdrillte Zweidrahtleitung. Sie ermöglichen eine flache, schnelle und durchgängig vernetzte Infrastruktur, die bei Anbietern und Anwendern gleichermaßen auf Interesse stößt.

Ethernet in Prozessanlagen wirft aber zunächst einmal zahlreiche Fragen auf: Was passiert mit der vorhandenen Verkabelung? Welche Kabellängen sind erreichbar? Welche Tools zum Zugriff auf die Instrumentierung stehen zur Verfügung? Wie sieht es mit der Eigensicherheit im Ex-Bereich aus?

Leistungsdaten und Infrastruktur

Vier Aspekte müssen genau definiert werden, um eine vollständig offene Infrastruktur zu schaffen, die die Interoperabilität bietet, die Benutzer von Ethernet erwarten.

Zunächst definiert der Standard für Single-Pair-Ethernet IEEE 802.3 cg die Datenkommunikation als 10BASE-T1L. Die Bandbreite von 10 Mbit/s erlaubt zum Beispiel die Aktualisierung von Radarkurven alle zwei Sekunden und unterstützt die Anwender während zeitkritischer Phasen, wie sie zum Beispiel bei der Inbetriebnahme von Tanksensoren vorkommen können. Diese Bandbreite ist zudem entscheidend, um automatisch Gerätekonfigurationen herunterzuladen, zu speichern und wieder herzustellen. Die Gefahr menschlicher Fehler wird damit entscheidend verringert.

Die Ethernet-APL-Port-Profile-Spezifikation definiert als zweites die Stromversorgung. Der Planer selektiert einfach Switches und Geräte mit zueinander passender Leistungsklasse. Ethernet-APL definiert dafür zum Beispiel Standard-Leistungspegel für eigensichere Geräteanschlüsse wie Ex ic IIC für Zone 2/Div. 2 oder Ex ia IIC für Zone 0 oder 1/Div. 1.

Als drittes definiert die Ethernet-APL-Port-Profile-Spezifikation Anschlüsse, Kabel und Zubehör wie Überspannungsschutz. Änderungen an der Kabel-Infrastruktur sind recht aufwendig und kostspielig. Daher ist es entscheidend, von Anfang an die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Tabelle auf Seite 48 zeigt für Ethernet-APL standardisierte Parameter, die mit Feldbus-Kommunikationstechnologien kompatibel sind. Dabei ist es vorteilhaft, wenn Planer und Anlagenbetreiber von Anfang an Parameter spezifizieren, die auf die Anforderungen der jeweiligen Prozessanlage abgestimmt sind. Eine zuverlässige Kommunikation erfordert zwingend abgeschirmte zweiadrige Kabel vom Typ A. Sollen die vorhandenen Kabel für den Aufbau eines Ethernet-Netzwerks verwendet werden, ist es sinnvoll, deren Kompatibilität mit den Spezifikationen (s. Tabelle) sicherzustellen, um Risiken zu vermeiden. Diese Überprüfung ist einfach, da Ethernet-APL lediglich zwei und nicht vier oder gar acht Adern benötigt. Sie ist mit Standardmitteln möglich und kann von Installateuren und den Büro-Kollegen durchgeführt werden.

Ein Anbieter hat sogar eine 10-MBit-Kommunikation über ein ungeschirmtes Twisted-Pair-Kabel getestet. Dies geschah jedoch unter Laborbedingungen – in der Praxis wird dringend davon abgeraten. Bei ungeschirmten Kabeln ist die Kommunikation nicht vor Übersprechen und elektromagnetischen Störungen geschützt. Die erforderliche Stabilität der Kommunikation ist daher auf Dauer nicht gewährleistet.

Der vierte Aspekt ist die Eigensicherheit, bei dem ein neues Kapitel des bekannten Standards für Explosionsschutz denselben einfachen Planungs- und Validierungsansatz definiert, den Anwender von FISCO kennen (IEC TS60079-47, 2-WISE).

Direktleitung zu jedem Feldgerät

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Sterntopologie mit redundantem Trunk. Bis zu 200 m Kabellänge vom Verteilerkasten bis zum Instrument.
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Ethernet-APL Field Switches erlauben Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zu Feldgeräten nach genormter Spur-Definition. Die maximale Kabellänge beträgt 200 m mit optionaler Eigensicherheit. Die Baureihe ‚FieldConnex‘ von Pepperl+Fuchs beinhaltet auch Ethernet-APL Switches für die Hutschiene. Robuste Gehäuse erlauben eine Installation in unmittelbarer Nähe eines Feldgeräts in Zone 2 oder einer Remote-I/O- Station. Stromversorgung und Kommunikation werden über Punkt-zu-Punkt-Verbindungen segmentiert, was eine einfach aufgebaute Topologie erlaubt. Selbst bei wiederholter Verbindung und Trennung – zum Beispiel bei Wartungsarbeiten an oder beim Austausch von Instrumenten – ist diese Infrastruktur sehr widerstandsfähig gegenüber Störungen.

Der Austausch eines Feldgeräts gestaltet sich einfach: Sobald das neue Gerät angeschlossen ist, wird es automatisch eingeschaltet und vom Asset-Management-System erkannt und identifiziert. Hierdurch können Asset Management Systeme automatisiert die Konfiguration wieder herstellen. Das Gerät ist also ohne manuelle Einstellungen sofort einsatzbereit.Zwischen Leitstelle und Verteilerkasten können Standard-Ethernet-Kabel eingesetzt werden. Mithilfe von Glasfaserkabeln lassen sich sogar Entfernungen von bis zu 2.000 m überbrücken. Bei der Redundanz gelten standardisierte Ethernet-Konzepte, wie zum Beispiel das Media Redundancy Protocol (MRP), das auch für Profinet verwendet wird.

Eine gemeinsame Netzwerkstruktur

Prozessanlagen sind oft über mehrere Jahrzehnte in Betrieb. In dieser Zeit verändert sich nicht selten die Technologie der eingesetzten Feldinstrumentierung. Hier bietet Ethernet die Basis, um unterschiedliche Technologie-Generationen unter einer gemeinsamen Netzwerkstruktur zu verbinden. Dabei erlauben entsprechende Protokolle ein Engineering unabhängig von der Datenquelle.

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Rail Field Switch für 8, 16 oder 24 Geräte von FieldConnex. Der Anschluss an die Prozessleittechnik mit Redundanz kann wahlweise über Kupfer oder Glasfaser erfolgen.
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Dank Ethernet-APL lässt sich die Kommunikation mit Feldgeräten über Profibus PA und Profinet kombinieren. Auch Kommunikation, Energieversorgung und Explosionsschutz lassen sich innerhalb derselben Infrastruktur und nach denselben technischen Konzepten betreiben. In einer Phase, in der die Gerätehersteller gerade erst anfangen, Ethernet-APL-fähige Produkte bereitzustellen, wird dadurch vor allem für Erstanwender eine Risikobegrenzung erreicht. Ports mit Doppelfunktion können automatisch erkennen, welcher Gerätetyp angeschlossen ist.

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Das PA-Profil standardisiert die Repräsentation gleichartiger Geräte von Profibus PA in Profinet: Prozesswerte, Basiskonfiguration und -diagnose. Diese sind übergreifend unabhängig von Hersteller, Modellreihe oder Gerätegröße je Messtyp gleich definiert. Gleichartiges Verhalten in jedem Arbeitsschritt eliminiert manuellen Aufwand und minimiert Risiken im Umgang mit der Instrumentierung.
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Mit dem PA-Profil kennen Ethernet-APL Geräte und Controller einen Kompatibilitätsmodus für Profibus- und Profinet-Technologien. Dabei handelt es sich um eine einzelne Gerätebeschreibung, die mit Controllern, Netzwerk-Komponenten und Feldgeräten ausgeliefert wird. Für den Anwender bedeutet dies, dass mehrere Messwerte pro Gerät hersteller- und produktübergreifend auf identische Weise konfiguriert werden können. Eine Abhängigkeit von Marke, Modell oder Größe eines bestimmten Geräts besteht nicht. So liefert zum Beispiel ein Drucktransmitter die Werte für Druck und Medientemperatur unabhängig vom Hersteller auf die gleiche Weise. Für rund 80 % aller Standardmessungen wird daher diese Vorgehensweise empfohlen.

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Kabelspezifikationen für Ethernet-APL – basierend auf Kabeltyp ‚A‘.
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Für explosionsgefährdete Bereiche gibt es robust ausgelegte LB/FB Remote-I/O-Systeme, die eine Ergänzung der digitalen Kommunikation bis in den Ex-Bereich hinein ermöglichen. Sie werden über die gleiche Infrastruktur, Stromversorgung und Kommunikation mit dem Leittechnikraum verbunden und erlauben einen Zugriff auf Geräte mit 4–bis-20-mA-Schnittstelle. Auch zusätzliche Informationen vom Feldinstrument lassen sich per HART einbinden, beispielsweise der Gerätezustand oder Verlaufsdaten. Da dabei einzelne HART-Master pro Remote-I/O-Ausgang genutzt werden, ist der Zugriff verzögerungsfrei.

Daten intelligent nutzen

Die in den Prozessanlagen weltweit installierten Sensoren und Aktoren liefern bereits eine Fülle an Informationen, die sich intelligent nutzen lassen. Über Protokolle wie Profinet, Ethernet I/P, OPC UA und HART-IP lassen sich diese Informationen nahtlos in die Ethernet-Kommunikationswelt einbinden. Damit lassen sich neuartige Methoden zur Überwachung und Optimierung des Prozessablaufs nutzen, um die Effizienz zu steigern. Ebenso wird eine Informationsbasis für die Umsetzung proaktiver Wartungsverfahren geschaffen. Um die entscheidenden Voraussetzungen für eine zukunftssichere Netzwerkinfrastruktur bei minimalem Risiko zu schaffen, sollten folgende Schritte unternommen werden:

  • Bewertung von Ethernet-APL als Hauptinfrastruktur
  • Nutzung von Feldbussystemen mit Profildaten
  • Überprüfung vorhandener Kabel auf Eignung für Ethernet-APL
  • Verwendung von Kabeln nach Ethernet-APL-Spezifikation
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Der Autor: Andreas Hennecke ist verantwortlich für Produktmarketing bei Pepperl+Fuchs in Mannheim.
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Zukünftige Verbesserungen und Erweiterungen sind danach uneingeschränkt möglich. Konkrete Informationen, Fallstudien und Best Practices für Planung, Installation und Betrieb von Ethernet-APL Netzwerken enthält die Ethernet-APL-Engineering-Richtlinie. Auch beim Bau neuer Prozessanlagen sollte eine Evaluierung nach Ethernet-APL Gesichtspunkten vorgenommen werden. Durch die Kombination von Switches mit Remote-I/O-Systemen ist die Kommunikation mit jedem Gerätetyp gewährleistet. Typ-A-Kabel nach Ethernet-APL-Spezifikation sorgt für robuste Kommunikation. Ethernet-APL ermöglicht die Anbindung zukünftiger Geräte an die Feldbustechnik. Durch die profilbasierte Kommunikation sind Betrieb, Wartung und Gerätetausch weit einfacher als bei der 4-bis–20 mA-Schnittstelle, da weder eine PV-Skalierung noch die Einstellung von Geräteadressen erforderlich ist.


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