IoT-Gerangel

Plattform Industrie 4.0 kontra IIC

27. März 2015, 15:04 Uhr | Meinrad Happacher
Rahman Jamal von National Instruments
Rahman Jamal, Global Technology and Marketing Director bei National Instruments: "Es hilft nicht, lange zu argumentieren und zu normen. Wichtig ist jetzt, konkrete Projekte umzusetzen!"
© National Instruments

Was unterscheidet eine deutsche Plattform Industrie 4.0 von der US-amerikanischen Initiative ­Industrial Internet Consortium? Konkurrieren die beiden Initiativen miteinander oder sind sie eher als sich ­befruchtende Aktivitäten zu betrachten? Computer & AUTOMATION sprach zu diesem ­Thema mit ­Rahman Jamal von National Instruments, der mit beiden Initiativen betraut ist.

Herr Jamal, Ihr Unternehmen ist in Deutschland unter dem Schlagwort Industrie 4.0 aktiv, aber auch in der amerikanischen Initiative Industrial Internet Consortium, kurz IIC. Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten und wo Unterschiede der Initiativen?

Ein grundsätzlicher Unterschied ist schon mal in der Transparenz zu bemerken: In Deutschland will man zunächst mal alles bei sich behalten. Das zeigt allein schon die Art der Kommunikation. So ist zwar in ­Deutschland selbst das Thema Industrie 4.0 omnipräsent. Aber für das interessierte ­Publikum außerhalb der Landesgrenzen gibt es irre Hürden der Informationsbeschaffung. Suchen Sie doch mal auf der englischsprachigen Google-Seite nach dem Thema ­Industrie 4.0 – da finden Sie so gut wie nichts!

Das IIC hingegen ist eher überaktiv, das Kon­sortium veröffentlicht über seine Internetseite und alle möglichen sozialen Plattformen alles, was es nur zu veröffentlichen gibt. Kein ­Wunder, dass das IIC eine enorme weltweite Resonanz erfährt.

Das deutsche Verhalten hat ja damit zu tun, dass über die Etablierung einer Industrie 4.0 ein Technologievorsprung herausgearbeitet und damit Produktionskapazität in Deutschland gehalten werden soll!

Ja, dies wird kommuniziert. Aber das sind eher politisch und verbandstechnisch motivierte Argumente! Glauben Sie etwa, dass ein international tätiges ­Unternehmen in Deutschland eine moderne Fabrik à la ­Industrie 4.0 hochzieht und in ­Mexiko eine Fabrik nach Standards von ­gestern aufbaut? – Die moderne Technologie ergibt nur dann einen Sinn, wenn Sie weltweit die Informationen über die ­gleichen Produktions­vorgänge austauschen und optimieren können. – Nein: Industrie 4.0 beziehungsweise das Internet der Dinge ist ganz klar ein internationales Thema.

Machen denn die Amerikaner mit ihrem IIC alles richtig?

Die amerikanische Initiative hat auch ihre Schattenseiten. So ist es nicht okay, dass das Steering Committee bis dato von den fünf Playern AT&T, Cisco, General Electric, IBM und Intel dominiert wird. Nicht zuletzt hierdurch ist die Initiative auch viel zu IT-lastig. Und sehen Sie sich an, mit was das IIC derzeit wirbt: Mit einem ersten realisierten Testbed, das federführend von Bosch kommt! – Das sollte doch Ansporn für die deutschen Firmen sein, Konzepte zu erarbeiten und dann in Ini­tiativen wie dem IIC einzubringen.

Wie beurteilen Sie also das Konkurrenzverhalten der Initiativen?

Ja, es ist derzeit leider ein konkurrierendes Gerangel zu spüren – was schade ist. Deshalb ja auch mein eben geäußerter Appell an die deutschen Unternehmen: Bitte setzt ­vernünftige Smart-Factory-Konzepte um und bringt die Ergebnisse in internationale Initia­tiven ein! Ein IIC ist derzeit viel zu IT-lastig. ­Damit eine solche Internet-of-Things-Initiative erfolgreich sein kann, ist es wichtig, dass sich jetzt verstärkt Firmen engagieren, die ­diese 'Things' gestalten. – Und hierfür sind die deutschen Unternehmen geradezu prä­destiniert.

Wie und wo engagiert sich Ihr Unternehmen?

Was die Initiativen betrifft, machen wir keinen Unterschied. Uns geht es darum, uns nicht im Argumentieren zu verlieren, ­sondern konkrete Projekte umzusetzen. Deshalb haben wir mit Airbus in einer Industrie-4.0-Initiative Smart Tools mit der Datenanalyse zusammengebracht – 400.000 einzelne Punkte und über 1.000 Smart-Tools werden damit allein beim Bau eines Flugzeug-Subsystems überwacht und ausgewertet. Auf der anderen Seite haben wir mit Bosch, Cisco und Tech Mahindra die Track-and-Trace-Lösung erarbeitet, die jetzt als erstes Testbed beim IIC verankert ist.

Sie kommen gerade aus Asien zurück. Wie wird dort das Thema gesehen und an­gegangen?

Aktuell kann ich nur über Japan sprechen, weil ich mich Anfang März dort mit entsprechenden Entscheidungsträgern unterhalten habe. Mein Eindruck ist: Die Japaner sind derzeit noch etwas irritiert und wissen nicht so recht, wo und wie sie sich engagieren sollen. Wesentliche Automatisierer wie Omron, Toyota, Denso, Fujitsu, Hitachi, Panasonic und Mitsubishi organisieren sich zwar gerade unter dem Dach einer 'Industrial Value Chain Initiative' – aber eine konkrete Marschroute ist noch nicht erkennbar.

Mein Appell: Gerade Deutschland und Japan besetzen eine fertigungstechnische Führungsrolle. Bitte bringt euch im internationalen ­Rahmen dementsprechend ein!


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