TSN-Serie Teil 17

Erste Schritte in die Praxis

16. März 2022, 14:00 Uhr | Prof. Dr. Josef Griesbauer und Alexander Sturm

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Konfiguration des Publishers/Talkers in Automation Studio

Die Konfiguration des Pub-/Sub-Writers in Automation Studio.
Die Konfiguration des Pub-/Sub-Writers in Automation Studio.
© HS Kempten

Zum Erstellen der Pub/Sub-Konfiguration für die B&R-Steuerungen in Automation Studio, ist nach dem Erstellen der Hardware-Konfiguration, unter dem Punkt „Connectivity“ eine OPC-UA-Konfiguration einzufügen, in der nur Variablen, die für die Benutzung durch OPC-UA aktiviert sind, genutzt werden können. Alle wichtigen Einstellungen, wie zum Beispiel die Multicast-Adresse der Pakete, die Publisher-ID sowie das Übertragungsintervall werden dort festgelegt und das Published-Dataset einer ‚Writer-Group‘ erzeugt, in dem angegeben wird, welche Variablen, an welcher Stelle in den DataSet-Messages des OPC-UA-Pub/Sub-Systems enthalten sind. Zur einfachen Konfiguration der Subscriber lässt sich diese Konfiguration dann durch Rechtsklick auf die Publisher-Konfiguration als ‚.uabinary‘-Datei exportieren und bei den Subscribern wieder einlesen, so dass diese die übertragenen Binärdaten richtig interpretieren können. Die Einstellungen für die TSN-Funktionalität des Pub/Sub-Systems müssen auf der Konfigurations-Seite explizit eingeblendet werden (grüner Knopf in der oberen Leiste des Editors), um die VLAN-Konfiguration bearbeiten zu können und auf die Werte, die in Slate-XNS vergeben wurden, also etwa VLAN-ID 3 und Priority Code Point 7, einzustellen.

Konfiguration des Subscribers/Listeners in Automation Studio

Wie beim Vorgehen für die Publisher-Seite, gilt es für die Subscriber-Seite wieder eine OPC-UA-Konfiguration zu erstellen, in der die Ziel-Variablen einzutragen sind. In der Pub/Sub-Konfiguration müssen die Einträge (Multicast-Adresse, Port, Publisher-Id und die VLAN-Einstellungen) mit denen des Publishers übereinstimmen. Das Erstellen der „Reader-Group“ kann mit Hilfe der exportierten „.uabinary“-Datei durch Rechtsklick auf den Eintrag „Reader Groups“ -> „Import uabinary“ geschehen. Alle nötigen Parameter und die Reihenfolge der DataSet-Variablen werden automatisch übernommen und lassen sich den SPS-Variablen zuweisen.

Konfiguration des Subscribers/Listeners in TwinCAT

Der Import des Pub-/Sub-Subscriber „.uabinary“ in TwinCAT.
Der Import des Pub-/Sub-Subscriber „.uabinary“ in TwinCAT.
© HS Kempten

Zur Erstellung eines Subscribers für die Beckhoff-Steuerung in TwinCAT ist das Modul OPC-UA-Pub/Sub für TwinCAT nötig. Nach dem Erstellen des Projektes muss unter dem Punkt „I/O->Devices“ ein „Real-Time OPC UA Device“ angefügt werden und unter dem Reiter „Settings“ im Bereich „Offline Management“ eine „.uabinary“-Datei importiert werden. Dadurch legt TwinCAT automatisch alle relevanten Objekte mit den korrekten Einstellungen an und die OPC-Variablen lassen sich mit den SPS-Variablen verknüpfen.

Die Messergebnisse

Nach den beschriebenen Konfigurationen ließen sich die zum Test generierten Datenströme – einzelne I/O-Daten der Steuerungen – ohne weitere Probleme übertragen. Zur Auswertung des aufgebauten Netzwerks erfolgten verschiedene Betrachtungen, bei denen das Netzwerk teilweise durch zusätzliche Datenströme belastet wurde: So erfolgte ein UDP-Packet-Flooding mit 50 µsec Interpacket-Delay, fixer Länge von 1472 Bytes und 75% Auslastung der Bandbreite im Uni- sowie Multicast. Hierbei ergaben sich folgende Übertragungszeiten:

  • Übertragungszeiten/Jitter ohne zusätzliche Netzwerklasten:
    Standardabweichung: 17 µSekunden
    Maximaler Jitter: 198 µSekunden (einzelnes Paket)
  • Übertragungszeiten/Jitter mit zusätzlichen Netzwerklasten:
    Standardabweichung: 19 µSekunden
    Maximaler Jitter: 192 µSekunden (einzelnes Paket)

Insgesamt bestätigt sich damit die von TSN angepeilte Vision eines konvergenten Netzwerkes, in dem sowohl Echtzeit- also auch „Standard“-Netzwerkteilnehmer in ein und demselben Medium ohne Einschränkungen gemeinsam kommunizieren können.

Ein Resümee

Prof. Dr. Josef Griesbauer, Alexander Sturm, HS Kempten
Die Autoren: Prof. Dr. Josef Griesbauer (links) ist Professor für Automatisierung und Meßtechnik an der Hochschule Kempten, Alexander Sturm ist Student im Abschluss der Bachelorarbeit an der Hochschule Kempten.
© HS Kempten

Sowohl B&R als auch Beckhoff haben ihre Hausaufgaben, trotz der noch zum Teil undefinierten TSN-Standards, gemacht: sowohl die Konfiguration als auch der Betrieb eines echtzeitfähigen Pub-Sub-Netzwerks über TSN sind möglich. Gleichermaßen zeigt sich noch der Stand des unfertigen Standards: viele Wege müssen mit zusätzlichen Tools – Slate XNS, OPC UA-Client – und mit selbst erarbeitetem Grundlagen-KnowHow gegangen werden. Unabhängig davon demonstriert dieses Anwendungsbeispiel, dass die Zukunft bereits offen steht für die Nutzung von TSN und PubSub.

Die Vorteile von TSN

Die in den letzten Jahren als Industrial Ethernet etablierten Technologien, wie Profinet, Ethernet Powerlink oder Ethercat, werfen die Frage auf, welchen Vorteil das IEEE802-TSN noch bieten kann. Im Gegensatz zu Profinet oder Powerlink arbeitet das 802-TSN direkt auf der Data-Link Ebene des ISO-OSI-Modells, also unterhalb des IP-Stacks, und bleibt dennoch, anders als Ethercat, komplett kompatibel zu anderen Ethernet-Geräten. Das ermöglicht das Erstellen von konvergenten Netzwerken, also Netzwerken, welche sowohl deterministische Steuerungsdaten als auch unwichtigere weitere Datenströme über das gleiche Medium leiten können. Ein ganzes Automatisierungsunternehmen könnte so in einem einzigen Netzwerk realisiert werden: über das gleiche Netzwerk würden Maschinen sicher und echtzeitfähig kommunizieren, Arbeitsplatzrechner direkt auf Steuerungen, Sensoren oder Aktuatoren zugreifen und die gesamte Office-Kommunikation abgehandelt. Die volle Bandbreite des Ethernet könnte genutzt werden und größere Datenströme innerhalb einer Maschine oder zwischen Maschinen und anderen Teilnehmern im Netzwerk realisieren. Ganz im Sinne von Big Data und den großen Datenmengen, die bei Industrie-4.0 zum Beispiel für prädiktive Instandhaltung oder maschinelles Lernen notwendig sind. Insgesamt führt das zu einem großen Vorteil in Form eines offenen und Branchen-übergreifenden Standard, in dem alles Vorhandene auf höheren Schichten des OSI-Modells, einfach auf eine Verwendung von TSN adaptiert werden kann.

 


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