Vom dicken Energiekabel bis zur dünnen Sensorleitung müssen Kabel und Leitungen sicher durch Anlagen und Maschinen geführt werden. Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, wie Jörg Sokat, Leiter Produktmanagement bei Pflitsch, im Interview mit Computer&Automation erklärt.
Herr Sokat, die Kabeleinführung wurde seit der Erfindung der modernen Kabelverschraubung vor gut 50 Jahren stets den Anforderungen der Technik angepasst. Gibt es denn heute noch Entwicklungspotenzial?
Jörg Sokat: Der Verkabelungsaufwand in automatisierten Prozessen nimmt weiter zu, müssen doch die diversen Sensoren, Aktoren, Motoren und weiteren Komponenten auf unterschiedlichen Ebenen miteinander verbunden werden. Wir reden hier also von einer großen Bandbreite unterschiedlicher Kabel und Leitungen, die bei Millimeter-dünnen, empfindlichen Glasfasern beginnt und bei kaum biegbaren Energiekabeln endet. In jedem einzelnen Fall muss eine Kabeleinführung dafür sorgen, dass die Leitung unter den jeweiligen Betriebsbedingungen zuverlässig abgedichtet wird – bei Outdoor- wie bei Indoor-Anwendungen. Hier die jeweils passende Lösung zu haben, ist eine Herausforderung, die sich mit einfachen Standardprodukten kaum erfüllen lässt. EMV- und Ex-Schutz, vorkonfektionierte Kabel, hohe Betriebstemperaturen und mehr fordern unsere Entwickler heraus.
Event-Tipp |
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Besuchen Sie Pflitsch auf der Hannover Messe, 17.-21. April: Halle 12, Stand E04 |
Wie begegnen Sie der zunehmenden Verwendung fertiger Module?
Der Trend, konfektionierte Kabel und Leitungen zu verwenden, ist nicht so neu, wie man vermuten mag. Seinerzeit haben wir Kabelverschraubungen mit geteilten Dichteinsätzen entwickelt und später dann komplett teilbare Flanschsysteme und Kabelverschraubungen, in die die Kabel vor der Montage eingelegt werden. Damit muss der Anwender den Stecker nicht ab- und wieder anmontieren, die Funktionssicherheit des Moduls bleibt also erhalten. Wo nur wenige Kabel eingeführt werden, hat sich unsere komplett teilbare ‚UNI Split Gland‘ beispielsweise für Kamerasysteme oder Funktionsleuchten etabliert.
Gelingt das auch beim steigenden Verkabelungsaufwand im Schaltschrankbau?
Für größere Kabelmengen stellen wir auf der Hannover Messe unsere neue ‚CABseal‘ vor, bei der vier Rahmengrößen für die Standard-Ausschnitte im Schaltschrankbau verfügbar sind. Diese lassen sich mit verschiedenen Tüllen bestücken, um bis zu 40 Kabel einführen und in Schutzart IP66 zum Kabel und Gehäuse abdichten zu können. Dabei kann der Monteur die Kabelpositionierung frei festlegen, es gibt keine Einschränkungen durch verschiedene Bauformen der Rahmen. Die ‚CABseal‘-Rahmen bestehen aus glasfaserverstärktem Polyamid mit angespritzter Elastomer-Dichtung, so ist keine zusätzliche Flachdichtung am Gehäuseausbruch nötig. Zudem sind die Rahmen für eine platzsparende Installation nur 20 mm hoch und die bündig sitzenden Tüllen ergeben eine durchgängig geschlossene Oberfläche ohne Sicken und Kanten.
Bei steigender Datenrate und immer höherer Installationsdichte rückt die elektromagnetische Verträglichkeit in der Automatisierung mehr und mehr in den Fokus von Entwicklern und Anwendern. Was tut sich in diesem Segment?
Neben der klassischen Kontaktierung des Kabelschirms mit sogenannten Konen geht der Trend heute zur montagefreundlicheren Feder-Kontaktierung. Viele EMV-Kabelverschraubungen mit Feder-Kontaktierung haben jedoch deutliche Nachteile im Bereich der Schirmdämpfung und der Stromtragfähigkeit. Diesen Kompromiss wollten wir nicht eingehen und haben mit der integrierten Triangelfeder eine Lösung auf den Markt gebracht, die einerseits eine einfache Montage erlaubt, gleichzeitig hohe Schirmdämpfungswerte erreicht und zudem hohe Ableitströme erlaubt.
Gibt es im EMV-Bereich Ihrerseits Neues auf der Hannover Messe?
Wir erweitern unser EMV-Portfolio mit der ‚UNI Dicht TRI‘. Damit kombinieren wir die EMV-Merkmale der TRI-Feder mit denen der ‚UNI Dicht‘-Serie. Konkret heißt das: Wir bringen eine kompakte, variantenreiche und mit unserem bekannten Verdrehschutz ausgestattete Kabelverschraubung auf den Markt. Aufgrund ihrer Bauform lassen sich auch sehr kleine Schirmdurchmesser kontaktieren – beispielsweise in der Größe M25 Kabel mit Schirmdurchmessern von 3 bis 16 mm. Zusammen mit der großflächigen Abdichtung verhindert das ‚UNI Dicht‘-Konzept die Einschnürung des Kabelmantels, was die Installation sicher macht.
A propos Sicherheit – was tut sich bei Pflitsch in Sachen Explosionsschutz?
Die bekannten Ex-Kabelverschraubungen am Markt wirken oft sehr klobig und lassen sich nur mit gewissem Aufwand montieren. Dem begegnen wir mit unserer neuen ‚LevelEx‘-Baureihe für Einsätze in den Zündschutzarten Ex-d und Ex-e der Gerätegruppe II Gas und Stäube. Die ‚LevelEx‘-Kabelverschraubungen bestehen aus vergleichsweise wenigen Komponenten: Die Dichtelemente sind unverlierbar ausgelegt - Gummiringe und Unterlegscheiben wie bei herkömmlichen Ex-d-Kabelverschraubungen gehören der Vergangenheit an. Beim Anziehen der Druckschraube verformt sich die Dichtung großflächig und erreicht eine hohe Dichtigkeit mit Schutzarten IP66 beziehungsweise IP68. Dank weitem Temperaturbereich ist die Kabelverschraubung unter extremen Umweltbedingungen und Temperaturen einsetzbar – etwa bei Anlagen im Offshore-Bereich, in Wüsten oder arktischen Regionen.