EMVA

Eine offene Embedded Camera API

23. Juni 2022, 9:44 Uhr | Werner Feith
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Standards vereinfachen die Einführung und Integration einer Technologie, sie reduzieren die Entwicklungskosten für die Anbieter und die Lernkosten für die Anwender. Aktuelle Bemühungen gelten einem Embedded Vision Interface Standard.

Für die industrielle Bildverarbeitung waren die global gemeinsamen Normungsbemühungen der letzten 15 Jahre der Schlüssel zum Erfolg der Branche. Seit 2009 arbeiten internationale Bildverarbeitungsverbände unter dem Dach der sogenannten G3-Initiative zusammen, um bestehende Standardisierungsinitiativen voranzutreiben und neue Standardisierungsfelder sowohl innerhalb der Bildverarbeitung als auch in Kooperation mit angrenzenden vertikalen Branchen zu erschließen. Die European Machine Vision Association (EMVA) ist einer der fünf G3-Partner. Derzeit hostet die EMVA vier Bildverarbeitungsstandards, darunter auch GenICam (Generic Interface for Cameras). GenICam gilt als Rückgrat der industriellen Bildverarbeitung, da heutzutage die meisten CameraLink- sowie alle GigEVision-, alle USB3Vision- und CoaXPress-Kameras GenICam als Register- und Betriebsschnittstelle verwenden.

Megatrend Embedded Vision

Einer der technischen Megatrends in der Bildverarbeitungsindustrie ist die anhaltende Miniaturisierung von Hardware und Prozessoren, die sogar System-on-Chip-Lösungen (SoC) ermöglichen. Durch die Kombination einer Verarbeitungsplatine mit einer kleinen Kamera ist es möglich, ein solches sehr kompaktes Bildverarbeitungssystem zu entwerfen. Diese so genannten Embedded Vision Systeme sind für die industrielle Bildverarbeitung – sowie für viele andere Branchen – von großem Interesse. Die meisten Embedded-Vision-Anwendungen laufen unter Linux mit MIPI-Kameras und APIs wie V4L2, GStreamer und Weiterentwicklungen wie libCamera. Ein großer Nachteil solcher Benutzerschnittstellen für Bildverarbeitungsanwendungen in Massenmärkten ist jedoch, dass sie keine ausreichende Unterstützung bieten, um Probleme in der organisch gewachsenen Machine-Vision-Umgebung ganzheitlich anzugehen. Überdies führt die Vielfalt an Kamera-Hardware-Schnittstellen, Kamera-APIs und möglichen Erweiterungen zu dem Problem, dass für jedes Kameramodul, das an ein SoC angeschlossen ist, ein eigener Treiber programmiert werden muss. Dieser Aufwand addiert sich zu der Anzahl der in Embedded-Vision-Systemen meist verwendeten MIPI-Module und multipliziert sich mit der Anzahl der SoC-Anbieter auf dem Markt – ein schier unüberschaubarer Aufwand an Programmierressourcen.

Ein großer Teil dieser Programmierkosten könnte durch gemeinsame Anstrengungen für eine generische Benutzerschnittstelle zu den SoC-Kamerainterfaces vermieden werden; dies zöge auch geringere Entwicklungskosten für Hersteller und Kunden im Embedded-Bereich nach sich. Daher haben sich EMVA und GenICam für den EMVA-Standard ‚emVision‘ zusammengetan, um die Anforderungen der etablierten Bildverarbeitungsindustrie an Großserienprodukte aus anderen Bildverarbeitungsmärkten zu erfüllen.

Brückenschlag zwischen Massenmarkt und Industrie

Während der Beschäftigung mit einem potenziellen Embedded-Vision-Standard wurde klar, dass es von Vorteil wäre, eine Brücke zwischen der industriellen Welt, ihren Anwendungsanforderungen und Bereichen neuer Vision-Tech-Anwendungen zu schlagen – wie sie etwa in Mobiltelefonen und Tablets, Kameras in Automobilen oder Imaging verknüpft mit KI Anwendung finden.

Im Jahr 2020 wandte sich deshalb die Khronos Group mit der Idee an die EMVA, gemeinsam an einem Embedded Vision Interface-Standard zu arbeiten. Khronos arbeitete von 2013 bis 2015 an einem Standard OpenKCAM, der zwar nicht veröffentlicht wurde, dessen Ideen aber in der ‚Libargus Camera API‘ weiterleben, die in der Bilderfassung für KI-Anwendungen weit verbreitet ist. Die Khronos-Gruppe bietet zudem bereits etablierte Standards wie OpenCL, OpenGL, OpenVX. Sie werden in Imaging-Anwendungen verwendet, die auf Chip-Ebene für Massenmarktprodukte von Khronos-Mitgliedern wie Google, ARM, Amazon, Intel und AMD erarbeitet und implementiert werden.

Vor diesem Hintergrund schlossen Khronos und die EMVA im Februar 2021 eine Partnerschaft zur Gründung einer für alle interessierten Teilnehmer kostenlos offenstehenden Embedded Camera API Exploratory Group. Sie sollte das Interesse der Industrie an der Schaffung offener API-Standards für die Steuerung von Embedded Kameras und Sensoren eruieren. In dieser Gruppe diskutierten 60 Unternehmen mit 145 Vertretern über Anwendungsfälle von Embedded Vision und Anforderungen an neue Interoperabilitätsstandards in vielen Branchen. Ziel war, durch Senkung der Entwicklungskosten und der Time-to-Market die Akzeptanz von Embedded Vision in vielen Märkten zu steigern. An der Initiative nahmen Sensor- und Kamerahersteller, Siliziumanbieter und Softwareentwickler teil, die sich mit Bildverarbeitung und Sensorik befassen. Ende November 2021 erzielte die Sondierungsgruppe einen Konsens über die Entwicklung und Einführung eines neuen, von Khronos gehosteten und unter den gemeinsamen Logos von EMVA und Khronos geführten Standards. Der ‚Call for Participation‘ an die Industrie wurde im Dezember 2021 versandt, im März 2022 fand die erste Sitzung der neuen Khronos Camera Working Group statt.

Eine offene Embedded Camera API
Der Autor: Werner Feith ist Standard Manager bei der EMVA.
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Die Zusammenarbeit zwischen EMVA und Khronos wird in der kommenden Entwicklungsphase als offizielle gemeinsame Initiative der beiden Organisationen fortgesetzt. Dies bedeutet, dass die EMVA direkt in der Arbeitsgruppe mitarbeiten, die Entwicklung des Designs beeinflussen und zum neuen Standard beitragen kann. Dieser gesamte Prozess der Zusammenarbeit zwischen führenden Verbänden und ihren Mitgliedern markiert eine neue Richtung bei der Standardisierung im Bereich Embedded Vision. Die EMVA hat ihren Mitgliedern dabei den Weg geebnet, sich an der Standardisierung von Embedded Vision auf einem klar definierten Weg beteiligen zu können. Die EMVA-Standard-Arbeitsgruppen GenICam und emVision sind ein wichtiger Teil der Khronos Camera-Arbeitsgruppe. Dadurch erhält die Khronos-Arbeitsgruppe Feedback aus der Welt der industriellen Bildverarbeitung und ihrer bereits etablierten Standards. Im Gegenzug sind die EMVA-Arbeitsgruppen in der Lage, den GenICam-Standard auf Grundlage der Informationen zu optimieren, die in der Zusammenarbeit mit der Khronos-Arbeitsgruppe als Rückkopplung ankommen.


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